Empfänger von Bürgergeld sollen eine „Anschubfinanzierung“ erhalten, wenn sie arbeiten gehen. Der Plan der Ampel ist umstritten – und wird jetzt sogar aus der SPD kritisiert.

Um die sogenannte „Anschubfinanzierung für Langzeitarbeitslose, die einen Job annehmen, tobt seit Tagen ein heftiger Krach. Die „Bild“-Zeitung beispielsweise nennt das Konstrukt genüsslich „Arsch-hoch-Prämie“ und befragte in den vergangenen Tagen eine Reihe von Politikern dazu.

Ausgezahlt werden soll das Geld, wenn Bürgergeld-Empfänger einen sozialversicherungspflichtigen Job annehmen und ein Jahr durchhalten. Inzwischen melden sich aber immer mehr Kritiker zu Wort, etwa aus der Union. Gegenwind kommt aber sogar aus den Parteien der Berliner Regierungs-Ampel.

SPD-Fraktion gegen Prämie für Bürgergeld-Empfänger

Seit diesem Sonntag plädiert nun auch die SPD-Fraktion im Bundestag dafür, den Plan fallenzulassen. Martin Rosemann, ihr sozialpolitischer Sprecher, meinte dazu: „Die Anschubfinanzierung war ein ausdrücklicher Wunsch von Robert Habeck (Grüne). Als Fachpolitiker der SPD teilen wir die Bedenken, die das Arbeitsministerium immer vorgetragen hat, sagte er der „Bild“.

Zwar habe die SPD das Instrument im Gesamtpaket zu Bürgergeld-Änderungen mitgetragen. „Wenn aber nun auch aus der Fraktion der Grünen Kritik vorgetragen wird und auch die FDP die Bedenken teilt, dann spricht wenig dafür, daran festzuhalten“, findet Rosemann.

Das Kabinett hatte vergangene Woche Verschärfungen der Regeln für Bürgergeld-Empfänger beschlossen. Bei Ablehnung einer Arbeit müssen sie bald mit höheren Strafen rechnen. Teil der Regelungen ist aber auch die sogenannte Anschubfinanzierung. Langzeitarbeitslose, die mehr als zwölf Monate in einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit beschäftigt sind, sollen einmalig 1000 Euro erhalten können. Die Regelung soll zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.

„Blanker Hohn für diejenigen, die seit Jahren ihren Job machen“

Doch sobald dieses Vorhaben publik wurde, regte sich Kritik: „Die 1000-Euro-Prämie ist blanker Hohn für diejenigen, die seit Jahren ihren Job machen. Die Ampel gefährdet den sozialen Frieden und gießt damit noch mehr Öl ins Feuer“, hatte etwa der CSU-Generalsekretär Martin Huber gesagt.

Auch der Grünen-Sozialpolitiker Frank Bsirske lehnt das Vorhaben ab, wie er öffentlich bekundete, allerdings aus einem anderen Grund. „Ich halte die Prämie nicht für erforderlich. Die allermeisten Menschen im Bürgergeld nehmen sowieso einen Job an, wenn sie die Chance dazu haben“, wurde er von der „Bild“ zitiert. 

Der FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffler wiederum sagte: „Das Vorhaben ist ein Unding. Die Ausgaben explodieren ja jetzt schon.“ Die Prämie müsse im Bundestag gestoppt werden, forderte er.

Auch aus dem CDU-Arbeitnehmerflügel kam Kritik. „Das lässt natürlich jeden verzweifeln, der fünf oder sechs Tage in der Woche arbeiten geht und mit seinem Lohn trotzdem mehr schlecht als recht über die Runden kommt“, sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), Dennis Radtke, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Habecks Ministerium findet die Prämie sinnvoll

Das Ministerium von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verteidigte das Vorhaben dagegen. Gedacht sei die Finanzierung als Anreiz zur Suche nach einer existenzsichernden Beschäftigung, heiß es dazu aus Habecks Behörde. STERN PAID Interview Madeleine Böckler16

Zudem solle die Prämie ein Gegengewicht bilden zu Verlusten staatlicher Leistungen bei Aufnahme einer Arbeit. „Beschäftigungen mit niedrigeren Einkommen werden durch hohe Abzüge beim Bürgergeld, Kinderzuschlag und Wohngeld unattraktiv, hieß es. Das Problem sei im Rahmen der geltenden Rechtsprechung nur schwer zu mindern. Mit der Prämie spare der Staat unter dem Strich Geld, behaupten ihre Befürworter.

Die Grundidee für den Vorschlag stammt laut dem Ministerium vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. In den Verhandlungen zur Wachstumsinitiative sei die Idee von allen drei Koalitionspartnern begrüßt und ausgestaltet worden. „Die Bundesregierung folgt inhaltlich also aktuellen Erkenntnissen der Arbeitsmarktforschung.“