Auf der Bühne stehen, war für ihn wie eine Therapie: Kristofferson hatte sich der Musik und der Kunst verschrieben. Mit seiner Mutter führte das zum Zerwürfnis. Sein Vermächtnis aber ist groß.

Auf der Bühne oder beim Rasenmähen seines Grundstücks auf Hawaii, das waren die beiden Lieblingsorte von Kris Kristofferson. „Das ist meine Therapie“, sagte der Musiker einmal dem US-Radiosender NPR. „Auf meinem Rasentraktor kann mir keiner was.“

Am Samstag ist Kristofferson, dessen Songs von Musik-Legenden wie Elvis Presley, Jerry Lee Lewis, Joan Baez, Willie Nelson, Janis Joplin und Ray Charles gesungen wurden, nach Angaben seiner Familie im Alter von 88 Jahren zu Hause auf Maui (Hawaii) gestorben. Zur Todesursache gab es zunächst keine Angaben. 

Student in Oxford, Hubschrauberpilot in Rheinland-Pfalz

Geboren wurde der Enkel schwedischer Einwanderer 1936 in Brownsville ganz im Süden von Texas. Mit einem Stipendium für Hochbegabte studierte er im britischen Oxford und wollte zunächst Schriftsteller werden. Als er damit keinen Erfolg hatte, wurde er Hubschrauberpilot beim US-Militär und war von 1962 bis 1965 in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) stationiert.

Danach sollte er an der berühmten Militärakademie West Point bei New York Literatur unterrichten, doch er folgte seinem Herzen und ging in die Hochburg der Countrymusik, nach Nashville. „Die ganze Sache verblüfft mich immer noch“, sagte Kristofferson dem „Rolling Stone“. „Ich war auf dem Weg in ein komplett anderes Leben. Und plötzlich habe ich meine ganze Zukunft, meine Familie und alles andere dem untergeordnet. Das war ziemlich angsteinflößend.“

Enttäuschte Mutter sprach jahrelang nicht mit Kristofferson

Seine Mutter war entsetzt und sprach jahrelang kein Wort mehr mit ihrem Sohn. „Sie hat gesagt, dass ich eine Schande für die Familie bin. Ich habe ihnen stolze Momente gegeben, zum Beispiel mit meinem Stipendium, aber sie sagte: „Das wird niemals die riesige Enttäuschung aufwiegen, die du schon immer warst.“ Warum sagt man so etwas zu seinem Kind?“ Auch Kristoffersons erste Ehe zerbrach an Nashville.

Dort scheuerte er zunächst im Studio die Böden, während Bob Dylan Aufnahmen machte. Um Johnny Cash von seinem Talent zu überzeugen, landete Kristofferson mit einem Hubschrauber in dessen Garten. „Ich wusste eine lange Zeit nicht, ob ich jemals Songs verkaufen würde. Ich habe mir dann gesagt, dass ich es für mich mache und für all die Befriedigung, die ich daraus ziehen kann. Aber irgendwann konnte ich dann doch davon leben.“ Bald stand Kristofferson neben Dylan auf der Bühne und schrieb einen Hit nach dem anderen, darunter „Sunday Morning Coming Down“ und „Help Me Make It Through the Night“. „Schließlich stand ich mit all meinen Helden auf der Bühne. Es war unglaublich.“ Zudem wurde er zum gefeierten Filmstar.

Großfamilie mit dritter Frau

Drei Jahre nach der Scheidung von seiner zweiten Frau Rita Coolidge heiratet Kristofferson 1983 die Anwältin Lisa Meyers, mit der er bis zuletzt zusammen auf Hawaii lebte. Gemeinsam hatten sie fünf Kinder und Pflegekinder. „Er lässt sich nicht managen“, sagte seine Frau einmal über ihn. „Sogar wenn ihm jemand sagt, dass er einen guten Tag haben soll, antwortet er: „Sag mir nicht, was ich machen soll“.“

Seine Konzerte hatte Kristofferson bis zuletzt immer mit dem Song „Shipwrecked in the 80’s“ begonnen. Aus Aberglauben. Das Lied sollte ihm Glück bringen. Dass er überhaupt selbst als Sänger mit seinen Songs getourt ist und Hallen gefüllt hat, hat ihn selbst wohl am meisten überrascht. „Jeder Künstler, der meine Songs gesungen hat, hat das besser gemacht als ich“, sagte Kristofferson einmal. „Ich singe wie ein Frosch.“ Die „New York Times“ sah das ähnlich: „Mr. Kristofferson ist über drei Akkorde nie hinausgekommen.“ Trotzdem liebten ihn die Fans, für die der singende Poet mit seiner Gesellschaftskritik und Melancholie das gebrochene Lebensgefühl der Vietnam-Generation verkörperte.

Für seinen Abschied hatte Kristofferson vorgesorgt und sich eine Songzeile von Leonard Cohen für seinen Grabstein ausgesucht: „Like a bird on the wire, like a drunk in a midnight choir, I have tried in my way to be free.“