Rechtsstreits bei Bauvorhaben sind keine Seltenheit, lange Verfahren aber auch ein Standortnachteil für Baden-Württemberg. Das wollten Grüne und CDU angehen. Erste Erfolge lassen sich schon messen.

Nach ersten Erfolgen bei der Verkürzung von Bauverfahren am Verwaltungsgericht Karlsruhe sollen landesweit spezialisierte Richterinnen und Richter für schnellere Entscheidungen sorgen. „Wir haben schwierige Zeiten im Bau- und insbesondere im Wohnungsbausektor“, erklärte Justizministerin Marion Gentges (CDU). „Es ist deshalb dringend erforderlich, dass wir Hemmnisse so schnell wie möglich abbauen – dazu gehört es, für schnelle Entscheidungen und Ergebnisse zu sorgen.“

Grüne und CDU hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass sie Spezialkammern an den Verwaltungsgerichten einrichten wollen. Die lange Planungsdauer in Deutschland und in Baden-Württemberg sei ein Standortnachteil im internationalen Wettbewerb.

Ein Viertel der Zeit gespart

Am Karlsruher Verwaltungsgericht arbeitet eine solche Baurechtskammer seit Anfang 2023. Während baurechtliche Verfahren im Jahr 2022 noch 16,3 Monate in Anspruch nahmen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 11,9 Monate. Zum Vergleich: An den Verwaltungsgerichten in Freiburg, Stuttgart und Sigmaringen dauerten die Verfahren 16 Monate oder mehr. Eilverfahren verkürzten sich in Karlsruhe von 4,0 auf 2,7 Monate.

Die Karlsruher Kammer ist für das öffentliche Baurecht aus den Städten Baden-Baden, Heidelberg, Karlsruhe und Pforzheim sowie aus den Landkreisen Calw, Rastatt, dem Enzkreis und dem Rhein-Neckar-Kreis zuständig sowie seit Anfang dieses Jahres für baurechtliche Verfahren aus der Stadt Mannheim. Die Anwaltschaft schätze die Arbeit der Kammer laut Rückmeldungen als sehr positiv ein. Am Stuttgarter Verwaltungsgericht gibt es seit Sommer 2023 eine solche Baurechtskammer. Messbare Erfolge erwartet das Ministerium für 2024.

Mehr Personal

Die Verkürzung der Verfahrenslaufzeiten in Karlsruhe geht nach Angaben des dortigen Gerichts nicht nur auf eine Konzentration der Verfahren bei einer Kammer zurück, sondern vor allem auf zusätzliches Personal. Das Land hat nach Auskunft des Ministeriums sieben neue Stellen geschaffen, sechs Richterstellen und eine für den Unterstützungsbereich.

„Mit den Planungskammern ermöglichen wir den Richterinnen und Richtern eine Spezialisierung gerade im Bereich des Baurechts“, erläuterte CDU-Politikerin Gentges. „Das ist ein wichtiger Baustein bei der Förderung des Wohnungsbaus in Baden-Württemberg.“ Denn durch die Spezialisierung könnten die Gerichte noch effizienter arbeiten und so infrastruktur-relevante Verfahren deutlich beschleunigt werden, führte sie aus. „Vor allem für Investitionen in diesem Sektor ist das ein wichtiger Beitrag.“

Unterschiede zum privaten Baurecht

Dass die Verfahren durch eine Stärkung der Richterschaft beschleunigt werden, dient aus Sicht von Thomas Haller, Vorstand vom Eigentümerverband Haus & Grund Baden, dem Gebot effektiven Rechtsschutzes. Das stärke das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat und führe letztlich im Einzelfall auch zu weniger Baukosten, die bei Verzögerungen von Bauvorhaben infolge von Rechtsstreits steigen könnten. Da es mehr Personal gebe, sieht Haller in der Beschleunigung der Verfahren keine Gefahr für die Qualität der Entscheidungen.

Der Fachmann betont aber den Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Baurecht. Beim öffentlichen Baurecht, für das die Verwaltungsgerichte zuständig sind, geht es um Vorschriften, mit deren Hilfe die bauliche Nutzung von Grund und Boden geregelt wird. Das private Baurecht betrifft Vertragsbeziehungen zwischen Baubeteiligten; hierfür sind Zivilgerichte – also etwa Land- und Oberlandesgerichte – zuständig. Hallers Einschätzung zufolge überwiegen Rechtsstreitigkeiten im Bereich des privaten Baurechts zahlenmäßig.

Auch für Großprojekte

Am Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim wurde im Sommer 2022 ein Infrastruktur-Senat eingerichtet. Dieser kümmert sich um Großprojekte wie Windkraftanlagen. Die Dauer von Verfahren hierzu betrug dem VGH zufolge im vergangenen Jahr 10 Monate, während sonstige erstinstanzliche Großverfahren im Schnitt 15,8 Monate dauerten. Für die sehr komplexen und aufwendigen Windkraftverfahren könnten nun mündliche Verhandlungen terminiert werden, sobald die Verfahren entscheidungsreif sind, hatte der VGH bei seiner Jahresbilanz mitgeteilt. „Eine „Warteschlange“ aus älteren Verfahren besteht nicht mehr.“

Andreas Markowsky von der Ökostromgruppe Freiburg als ein Planer und Betreiber solcher Projekte sagte: „Die Spezialisierung hat zu einem ungewöhnlich hohen Know-how geführt.“ Die Richter bereiteten sich selbst auf einzelne Fragen sehr genau vor. So habe sich einer einmal die Verbreitung bestimmter Fledermausarten angeguckt, um die Fragen nach Ausweich-Nistkästen für zu fällende Bäume klären zu können. Nichtsdestotrotz seien die Verfahren mit viel Zeit für die Vorbereitung und Kosten verbunden.

Markowsky betonte, dass Grün-Schwarz schon das Widerspruchsrecht bei der Genehmigung von Windrädern größtenteils abgeschafft und den Klageweg direkt vor den VGH ermöglicht habe. „Das führt zu einer erheblichen Beschleunigung.“ Früher hätten endgültige Entscheidungen manchmal erst vorgelegen, nachdem eine Anlage schon fünf Jahre in Betrieb war. Die Zahl der Klagen an sich nimmt seiner Einschätzung nach aber nicht ab. Die Zustimmung zur Energiewende in der Bevölkerung insgesamt sei groß – aber es gebe klare Gegner, die auch bereit seien, für die Prozesse zu zahlen.

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