Der Schwangerschaftsabbruch muss in Deutschland anders gesetzlich geregelt werden, sagt eine Experten-Kommission. Also alles klar? Weit gefehlt, bei diesem Thema kann man sich auf nichts verlassen.

Eigentlich ist die Lage eindeutig. SPD, Grüne und FDP beauftragen neun Expertinnen damit, zu prüfen, ob der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland gesetzlich anders geregelt werden sollte. Das Ergebnis: Ja, sollte er. 

Die Regelung, die noch aus den 90er-Jahren stammt, verletze die Grundrechte einer möglicherweise ungewollt Schwangeren, heißt es in dem Bericht, der am Montag offiziell vorgestellt wird. Die momentane Rechtslage halte „verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Überprüfungen“ nicht stand. 

Bislang ist der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuches grundsätzlich verboten. Frauen, die den Eingriff durchführen lassen, werden aber nicht bestraft, wenn dieser innerhalb der ersten zwölf Wochen erfolgt und sie sich zuvor haben beraten lassen. Die Expertinnen sagen nun: Der Schwangerschaftsabbruch sollte in den ersten zwölf Wochen legalisiert werden. Selbst in den Wochen danach sehen sie dafür noch Spielraum. Erst in der Spätphase der Schwangerschaft sollte ein Abbruch verboten sein – dann überwiegen die Rechte des Ungeborenen.

Schwangerschaftsabbruch: Politik hat Armutszeugnis verdient

Mit einem solch klaren Befund in den Händen werden sich demokratische Regierungsparteien nun schleunigst daran machen, den Missstand zu beheben. Selbstverständlich wollen sie im Jahr 2024 dafür sorgen, dass die grundlegenden Rechte der Frauen gewährleistet sind. Mag man meinen. Doch so ist es nicht.  

Die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ will den Paragraf 218 wohl nicht anfassen – aus Angst davor, dass das Thema eine angebliche Spaltung der Gesellschaft weiter befeuern könnte. Bei der FDP heißt es hinter vorgehaltener Hand, dieses Fass mache man sicher nicht auf. In der SPD gibt man sich zurückhaltend und selbst bei den feministischen Grünen geht kaum jemand ernsthaft davon aus, dass sich bei dem „heiklen“ Thema in dieser Legislatur noch etwas tut. Zumal von der Oppositionsbank schon die Union warnt, die Ampel solle bloß nicht „ohne Not neue Spaltpilze“ in die Gesellschaft treiben – im Zweifel würde man einmal mehr vors Bundesverfassungsgericht ziehen

Schwangerschaftsabbruch Ampel 18:01

Schon vor der offiziellen Vorstellung des Berichts hat sich die deutsche Politik ein Armutszeugnis verdient. Während Frankreich den Schwangerschaftsabbruch als Grundrecht in der Verfassung verankert, kann man sich in Deutschland nicht einmal darauf einigen, dass sich etwas ändern muss, wenn Rechte der Frauen verletzt sind. 

Nur auf dieser gemeinsamen Grundlage könnte man überhaupt diskutieren, wie genau eine kluge gesetzliche Neuregelung aussehen könnte. Vielleicht würden dann sogar konservative Scharfmacher bemerken: Nur weil der Schwangerschaftsabbruch legalisiert wird, heißt das nicht, dass er nicht mehr gesetzlich geregelt ist. Bei der Frage danach, wie genau das geschehen soll, sehen die Expertinnen große Spielräume. Unerhört, dass sich damit offenbar niemand ernsthaft auseinandersetzen will.