Sollen Schulessen und Busfahren für Kinder kostenlos bleiben? Berlins Grünen-Landesvorsitzende ist dafür. Die Diskussion über kostenlose Bildung ist aus ihrer Sicht allerdings verengt.
Berlins Grünen-Vorsitzende Nina Stahr warnt davor, die Diskussion um gute Bildung auf Gratis-Schulessen und kostenlose ÖPNV-Nutzung zu verengen. Die Gesellschaft brauche insgesamt einen viel stärkeren Fokus auf Familie, Kinder und Jugendliche, sagte Stahr der Deutschen Presse-Agentur. Damit Kinder und Jugendliche gut heranwachsen könnten, sei gute Familienpolitik und ein gutes Bildungssystem nötig. „Wenn wir das schaffen, haben wir nicht nur für die Kinder und Jugendlichen etwas erreicht, dann haben wir dieses Land auch zukunftsfest gemacht.“
SPD streitet über kostenlose Bildung
„Wenn wir den Bildungsbereich insgesamt endlich so priorisieren, wie es nötig ist, würde sich die Frage, ob Eltern oder die gesamte Gesellschaft für die Deckung dieser Kosten verantwortlich sind, gar nicht mehr stellen“, sagte die grüne Landespolitikerin.
Die Diskussion um kostenfreie Bildung ist zurück auf der landespolitischen Tagesordnung. Bei den Bewerbern für den SPD-Landesvorsitz gehen die Ansichten darüber deutlich auseinander. Raed Saleh und Luise Lehmann haben sich zuletzt mehrfach vehement dafür ausgesprochen. Insbesondere das Bewerberduo Martin Hikel und Böcker-Giannini ist in Distanz dazu gegangen. Bei der SPD läuft derzeit eine Mitgliederbefragung dazu, wer künftig den Landesverband führen soll.
Nach Angaben von Stahr gibt Berlin bundesweit das meiste Geld pro Schüler aus. Die Frage sei, ob es wirklich in die schulische Bildung fließe – oder zum Beispiel auch in das kostenlose Schülerticket. „Hätte die Bildungsverwaltung das gesamte Geld, das hier eingerechnet wird, für klassische Bildungsausgaben zur Verfügung, würde die Situation in Berlin ganz anders aussehen“, sagte Stahr. Es sei trotzdem richtig, dass Kinder und Jugendliche kostenlos Bus und Bahn fahren könnten, weil dies Teilhabe ermögliche. „Mir ist wichtig, dass wir gerade in Zeiten begrenzter Mittel das Geld gezielt dort hinlenken, wo es am meisten gebraucht wird.“
Stahr hat beim Thema Schulessen ihre Meinung geändert
„Beim Schulessen hat sich meine eigene Position geändert: Früher war ich der Meinung, dass Eltern, die viel Geld haben, auch einen Beitrag leisten können“, sagte Stahr. „Aber ich muss ehrlich sagen: Dass so wirklich alle Kinder Zugang zum Essen haben, wiegt die Mehrkosten auf, die durch das kostenlose Schulessen für alle entstanden sind. Denn mit leerem Magen kann man nicht lernen – deswegen war es ein richtiger Schritt zu sagen, alle bekommen das Essen und fertig.“
Es stelle sich aber die grundlegende Frage: „Auf welche Bereiche wollen wir eigentlich die Priorität setzen? Und dieser Senat setzt die Prioritäten an der falschen Stelle“, kritisierte Stahr. „Ich möchte, dass unsere Priorität auf der Zukunft unseres Landes liegt und damit auf der Förderung und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen“, so die Grünen-Politikerin.
Dazu, dass sie gut aufwachsen könnten, gehöre auch, dass die Bezirke ihre Jugendfreizeiteinrichtungen ordentlich ausstatten. „Dass wir solche Diskussionen führen müssen, und die Bezirke in diesem wichtigen Bereich zum Kahlschlag gezwungen werden sollen, finde ich wirklich unterirdisch.“