Der Verkehrssektor ist weit von gesetzlichen Vorgaben beim CO2-Einsparen entfernt. Der zuständige Minister warnt vor drastischen Konsequenzen – und erntet Kritik.
Nach einer Warnung vor möglichen Wochenend-Fahrverboten werfen Grünen-Politiker und Verbände Bundesverkehrsminister Volker Wissing Ablenkungsmanöver und Panikmache vor. Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister und Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, Oliver Krischer (Grüne), sagte der Deutschen Presse-Agentur, bei allem Verständnis für politische Zuspitzung wäre es angebracht, dass Wissing zur Sachpolitik zurückkehre. „Das Problem ist nämlich nicht das Klimaschutzgesetz des Bundes, sondern eine Verkehrspolitik, die eben nicht an den Zielen von Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.“ Wissing erhöhte derweil weiter den Druck auf die Ampel-Partner, die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes rasch umzusetzen.
Krischer sagte, es lägen zahlreiche verkehrspolitische Maßnahmen auf dem Tisch, die auf Verbesserung von Mobilität genauso einzahlten wie auf das Erreichen von Klimaschutzzielen. „Statt Menschen zu drohen, würden wir gerne mit Herrn Wissing bei der Verkehrsministerkonferenz nächste Woche darüber reden, wie wir die Finanzierung von Erhalt und Ausbau der Infrastruktur hinbekommen.“ Die Verkehrsministerkonferenz tagt am kommenden Mittwoch und Donnerstag in Münster. Ein wichtiges Thema ist die Zukunft des Deutschlandtickets im Nah- und Regionalverkehr.
Reaktionen
Der Grünen-Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar warf Wissing Desinformation vor. „Selbst die gerichtliche Verpflichtung, endlich ein ordentliches Klimaschutzprogramm vorzulegen, beinhaltet null die Verpflichtung zu Fahrverboten„, sagte er dem „Stern“ (Samstag).
Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sprach von Panikmache. Es sei überfällig, dass mehr Klimaschutz im Verkehrssektor umgesetzt werde, sagte sie der Funke Mediengruppe. „Eine Verkehrswende für Klimaschutz zeichnet sich durch eine Vielzahl von Komponenten aus, wie beispielsweise die Aufhebung des Dieselsteuerprivilegs und Dienstwagenprivilegs, die Förderung von ÖPNV und Schienenverkehr oder aber ein Bonus-Malus-System zur Förderung emissionsarmer Fahrzeuge und der Elektromobilität.“
Auch die Deutsche Umwelthilfe warf Wissing vor, ein Schreckgespenst an die Wand zu malen, um Maßnahmen zu verhindern. „Damit hat er sich aber ins Knie geschossen, weil er uns mit diesem absurden Beispiel hilft, die politische Diskussion über wirklich mögliche Alternativen, hinter denen eine Mehrheit der Bundesbürger seit Jahren steht, führen zu können“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Der Handelsverband Deutschland (HDE) mahnte, dass eine Debatte über Fahrverbote am Wochenende für den Einzelhandel Gift sei. „Die Konsumstimmung ist schon schlecht genug. Das Letzte, was der Einzelhandel jetzt braucht, ist noch mehr Verunsicherung für die Kundinnen und Kunden“, sagte der Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der Funke Mediengruppe.
Wissing hatte in einem Brief an die Vorsitzenden der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP vor drastischen Einschnitten für Autofahrer bis hin zu Fahrverboten an Wochenenden gewarnt, falls die Koalition sich nicht bald auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes einigt. Andernfalls müsste Wissing bis Mitte Juli ein Sofortprogramm vorlegen, damit der Verkehrssektor Klimaziele einhalten kann. Als Mittel dafür kämen aus seiner Sicht nur Fahrverbote in Betracht.
In den ARD-„Tagesthemen“ wiederholte Wissing seine Forderung nach einer raschen Reform des Klimaschutzgesetzes. „Diese Sektorziele sind natürlich nicht erreichbar im Verkehr, wenn man nicht ganz rabiate Maßnahmen ergreift“, sagte er. Ein von vielen befürwortetes Tempolimit auf Autobahnen würde dabei aus seiner Sicht nicht helfen, weil dadurch zu wenig Treibhausgase eingespart würden. „Dann hätten Sie die Situation, dass Sie quasi den Rest nicht mit zwei Tagen Fahrverbot, sondern mit eineinhalb Tagen erreichen müssen – das ist keine Lösung“.