Es ist vollbracht: Der Bundestag hat für ein geändertes Selbstbestimmungsgesetz gestimmt. Künftig wird es leichter für Transpersonen, den eigenen Geschlechtseintrag und Vornamen beim Standesamt zu ändern.
Der Bundestag hat am Freitag über das von der Bundesregierung eingebrachte Selbstbestimmungsgesetz abgestimmt. Künftig sollen Menschen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen per Erklärung gegenüber dem Standesamt ändern können. Die bisherige Pflicht, eine ärztliche Bescheinigung dafür vorzulegen, soll wegfallen. Für Minderjährige unter 14 Jahren soll nur der gesetzliche Vertreter die Erklärung abgeben können.Selbstbestimmungsgesetz FAQ 06.23
Union kritisiert Selbstbestimmungsgesetz
Das Gesetz soll volljährigen Transpersonen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen die Änderung ihres Vornamens oder Geschlechtseintrags erleichtern. Bisher sind dafür zwei psychologische Gutachten erforderlich. Am Ende entscheidet das Amtsgericht. Betroffene kritisieren das Verfahren als langwierig, teuer und entwürdigend.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) verteidigte das Vorhaben vor der Abstimmung gegen gegen Kritik. Für die Betroffenen sei die aktuelle Situation „nicht tragbar“ und „diskriminierend“, sagte sie am Freitag im Bayerischen Rundfunk.
„Wir machen nichts anderes, als das im Grundgesetz garantierte Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung (…) endlich zu ermöglichen“, sagte Paus. Sie verteidigte, dass Jugendliche ab 14 Jahren künftig selbst beim Standesamt eine Änderung des Geschlechtseintrags beantragen können. „14 ist die ganz normale Zahl, die wir auch kennen, wo man sich beispielsweise entscheiden kann, welcher Religion man angehört, ob man aus der Kirche aus- oder eintreten möchte“, sagt die Ministerin. „Und deswegen ist das einfach entsprechend der Logik der deutschen Gesetzgebung.“
Die Unions-Bundestagsfraktion kritisierte das neue Gesetz scharf. Es habe Sicherheitslücken und könne durch Kriminelle missbraucht werden, sagte die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz, am Freitag im Radiosender WDR 5.
Auch der Kinder- und Jugendschutz sei nach Ansicht der Union durch das Selbstbestimmungsgesetz nicht mehr gewährleistet. Eine bloße Beratung sei nicht vergleichbar mit einem ärztlichen Gutachten. Kinder aber befänden sich in einer Entwicklung, da seien auch gesundheitliche Risiken zu berücksichtigen. Der Druck auf Eltern und Kinder steige nun. Deshalb lehne die Union das Gesetz ab.
Bislang gilt das Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980, das mit dem neuen Gesetz hinfällig sein wird. Betroffene mussten bis dato eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss über sich ergehen lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen ändern lassen wollten. Bis 2011 mussten sich transgeschlechtliche Menschen dafür sogar noch sterilisieren lassen. Die geltende Rechtslage verletze die Würde des Menschen, sagt der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann. Auch der deutsche Psychotherapeutentag spricht sich seit längerem dafür aus, Hürden für Betroffene abzubauen.