Immerhin: Eine Katastrophe war es nicht. Aber Schule wird das TV-Duell von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und seinem CDU-Gegner Mario Voigt auch nicht machen. Der Versuch, etwas daraus zu lernen.

Ein paar Sachthemen andiskutiert. Ordentlich durcheinandergeredet. In Thomas-Gottschalk-Dimension überzogen. Und am Ende den Beweis geführt, dass der Rechtsextremste unter den extremen Rechten nur allzu gern in die Rolle des harmlos-empathischen Patrioten schlüpft. So lief das Fernsehduell zwischen Thüringens CDU-Chef Mario Voigt und AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke bei „Welt TV“. 

Hier könnte dieser Text enden. Aber das wäre dem Ernst der Lage nicht angemessen. Die AfD, eine in Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei, liegt in Thüringen und auch in Sachsen in allen Umfragen zu den Landtagswahlen vorn. Die demokratischen Parteien der Mitte suchen noch immer eine Strategie: Was tun, damit die ganz weiten Rechtsaußen nicht immer stärker werden? 

Lassen sich in 71 Minuten Fernseh-Duell wirklich keinerlei Ansätze finden, wie man mit dieser Partei umgehen sollte? Schwierig. 

Doch bevor der Eindruck entsteht, nun folge eine normale TV-Kritik, noch einmal kurz zur Erinnerung: Da duelliert sich ein Christdemokrat mit einem Faschisten an einem Donnerstagabend zur besten Sendezeit. Daran ist nichts normal. Das hat es noch nie gegeben.STERN PAID 2_2024 Carsten Linnemann 6.05

Es fängt mit Europa an

Er wolle Höcke „ins Licht ziehen“ und die AfD inhaltlich stellen. Das hatte sich Mario Voigt, 47, für diesen Abend vorgenommen. Eine bewusste Entscheidung, um bekannter zu werden. Um an Profil zu gewinnen als konservativer Landesvater im Wartestand. Und um dafür zu sorgen, dass niemand über den derzeit amtierenden thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von der Linken spricht. 

Immerhin letzteres ist Voigt mit Bravour gelungen. 

Es fing mit Europa an. Mit der Frage, ob und wie Deutschland wirtschaftlich von der EU profitiert. Was der Brexit für Großbritannien gebracht habe. Und so weiter. Man muss Höcke an dieser Stelle nicht zitieren. Man muss auch nicht auf den Faktencheck warten, den Moderator Jan Philipp Burgard mehrmals für Freitag ankündigte. Jeder Versuch einer Debatte um ein Sachthema bestätigte alle, die es schon immer besser wussten: Sachthemen mit Höcke? Vergiss es! 

Man möchte das auch den Fernsehmachern der Republik nahelegen. Denn es war nicht einmal besonders unterhaltsam. Es war streckenweise todeslangweilig.

Meist lief es ab wie folgt: Höcke warf ein paar Thesen mit alternativen Fakten in den Raum. Die CDU sei „eine Wohlstandsvernichterpartei“, solche Sachen. Voigt war stets bemüht, das entsprechend einzuordnen. Brauchte dafür nur leider zu lange. Höcke stichelte genüsslich. Es ging ein bisschen hin und her. Einmal landeten sie bei der überaus wichtigen Fachfrage, ob man beim Metzger in Thüringen ein Mett-Brötchen oder ein Gehacktes-Brötchen bestellt. Prost Mahlzeit! 

Burgard und seine Co-Moderatorin schienen in diesen Augenblicken kurz das Studio verlassen zu haben – bis sie irgendwann doch wieder auftauchten, um zum nächsten Thema zu drängeln. FS Chronik AfD 17.34

„Typischer Konrad Adenauer-Stiftungs-Sound“ 

„Wir ändern heute Abend das Bild der Wählerinnen und Wähler“, sagte Voigt kurz vor Ende der Sendung. Das Bild von der AfD, wohlgemerkt. Es klang wie eine Erinnerung an sich selbst. Die AfD inhaltlich stellen. Das war der Auftrag. Aber da war es längst zu spät. 

Dabei wirkte der CDU-Politiker durchaus aufgeräumt. Er ließ sich nicht provozieren, hatte seine Fakten beisammen und zur Vorbereitung ordentlich Höcke gelesen. Er hatte sich sogar für jedes Thema eine schöne Erzählung zurechtgelegt. Eine Narrativ, um das eigene Argument zu untermauern. So kann man vielleicht nette Grüne kontern. Ein Profi wie Höcke aber geht immer dann brutal dazwischen, wenn so ein Narrativ auf den Punkt kommen soll: „Typischer Konrad Adenauer-Stiftungs-Sound.“ 

Das ist Standardrepertoire eines Vollzeit-Propagandisten. Locker rausgehauen, eine Hand in der Hosentasche. Sowas bleibt hängen. Bestes Material für die eigenen Social-Media-Kanäle.

Von Mario Voigt bleiben folgende Sätze nicht in Erinnerung: 

„Ich bin Thüringer. Das ist meine Heimat. Wir sind das Land der Dichter und Denker.“

„Ich will Thüringer Ministerpräsident werden.“

„Ich will Ministerpräsident aller Thüringer werden.“

„Die CDU hat den Anspruch, stärkste Kraft zu werden. Dafür will ich alles tun.“

„Ich habe Demut und Respekt vor dem Wähler.“

„Ich will eine starke CDU.“

Man kann Voigt nicht vorwerfen, dass er in Phrasen spricht. Viele Politiker tun das. Man kann ihm auch nicht vorwerfen, dass er ein – im besten Sinne – durchschnittlicher Politiker ist. Viele Politiker sind das. Nur haben die sich eben nicht angemaßt, Björn Höcke in einem TV-Duell inhaltlich stellen zu wollen. 

„Es ist einfach, ihn einen Faschisten zu nennen. Das muss ich nicht machen, das hat ein Gericht schon gemacht“, sagte Voigt irgendwann eher nebenbei. Zwischendurch rutscht ihm dann aber doch ein „Reichskanzler Höcke“ raus. Und warum eigentlich auch nicht? PAID Natascha Strobl8.57

Höcke gerät gegen Ende in die Defensive

Voigts bessere Momente sind die, die er eigentlich vermeiden wollte. Es sind die, in denen es darum geht, Höcke nicht mit seiner Leier als Patriot mit großem Herzen durchkommen zu lassen. Sondern ihn als Faschisten zu überführen. Es sind auch die besten Augenblicke der Moderatoren, die souverän und hartnäckig die Widersprüche in Höckes Kommunikation herausarbeiten.

Warum hat er wiederholt den SA-Wahlspruch „Alles für Deutschland“ verwendet? Der AfD Politiker geriet mit zunehmender Dauer der Sendung mehr und mehr in die Defensive. 

Den entscheidenden Punch verpasste Voigt leider auch hier. Immer wieder spricht ihn Höcke als „Kollege Voigt“ an. Als seien sie Konkurrenten im demokratischen Wettbewerb um die besten Konzepte. Dabei sind sie Gegner im Kampf um die Stabilität der Demokratie. 

„Ich verwahre mich dagegen, dass sie mich Kollege nennen“, hätte Voigt sagen können. Hat er aber nicht. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, diese Sendung noch offensiver dafür zu nutzen, was die CDU gar nicht oft genug tun kann: brandmauern, brandmauern, brandmauern.

In der Union scheinen sie dennoch zufrieden mit dem Auftritt ihres designierten Vize-Vorsitzenden Voigt. Man kann auch nicht behaupten, dass diese 71 Minuten so hochgradig demokratiegefährdend gewesen wären, wie links der politischen Mitte befürchtet wurde. Aber waren sie wirklich hilfreich?

Es wäre wohl besser, wenn sich nach dem Deutungskampf, der auf dieses Duell nun folgt, der ein oder andere Stratege im Konrad-Adenauer-Haus an den erfolgreichsten Adenauer-Wahlkampf erinnert: Keine Experimente!

„Jemand, der im KZ Buchenwald Hausverbot hat, der darf nicht Thüringer Ministerpräsident werden“, war noch so ein besserer Voigt-Satz. Dem wäre nach diesem Abend nur eines hinzuzufügen: Mit jemandem, der im KZ Buchenwald Hausverbot hat, sollte man vielleicht auch besser nicht im Fernsehen diskutieren.