Bislang waren dynamische Preise vor allem in der Luftfahrt bekannt – ein Flug über Tag war teurer als abends. Jetzt kommt dieses Prinzip in der Breite an, insbesondere in den Freizeitparks. 

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Bevor Einzelhändler ihre Waren mit festen Preisschildern versahen, war es Gang und Gebe, dass Menschen um den Wert der Ware feilschten. Das endete oft im Streit und einem ineffizienten volkswirtschaftlichen Ergebnis: der eine, Person A, konnte schließlich besser feilschen als Person B – hätte unter normalen Umständen aber deutlich weniger gezahlt, weil Person A die Ware eigentlich viel benötigt ist als B. Und so setzten sich fixe Preise als Standard durch – dem Preis, zu dem Unternehmen mindestens ihre Kosten gedeckt hat, wobei es auch hier wieder Ausnahmen gibt. Für Unternehmen bieten fixe Preise außerdem Planungssicherheit.

Gewissermaßen gab es in den vergangenen Jahren hier aber schon eine Aufweichung. In vielen Super- oder Elektronikmärkten ändern sich Preise auf elektronischen Schildern bereits stündlich – und vor allem der Luftverkehr ist für seine hochdynamischen Preise bekannt. Die Preise orientieren sich nach der Nachfrage – und werden dabei von Daten gefüttert.

Doch inzwischen treten diese „dynamischen Preise“, oder „Preisdiskriminierung 2. Grades“ wie Volkswirte im Fachterminus sagen, in immer mehr Bereichen auf – und auch nicht nur dort, wo Daten das Geschäftsmodell sind. Jetzt gab sogar der weltweit führende Betreiber von Freizeitparks bekannt, er werde künftig – je nach Jahreszeit – die Eintrittspreise variieren. 

Bis Ende 2024 sollen die 20 Top-Attraktionen weltweit zu einem dynamischen Preismodell übergehen, sagte der Chef von Merlin Entertainments, Scott O’Neil, der „Financial Times“. Dazu gehören Legoland, Sea Life und Madame Tussauds. Freizeitparks in den USA sollen im Jahr darauf folgen. Europas größter Betreiber von Vergnügungsparks will demnach an Sommerwochenenden mehr Eintritt verlangen, als etwa in der Nebensaison. 

Das „sehr intuitive“ Preismodell soll mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) auf Höhen und Tiefen in der Nachfrage reagieren, erläuterte O’Neill. „Wenn es in der Hochsaison im August in Großbritannien sonnig und ein Samstag ist, dann wäre ein höherer Eintritt zu erwarten, als an einem verregneten Dienstag im März.“

Positive Learnings aus dem Tourismus

Bei der Buchung von Flügen und Hotelzimmern haben sich die Verbraucher schon lange an Schwankungen des dynamischen Preismodells gewöhnt: Wer früh bucht, in der Nebensaison, oder Last-minute, bekommt ein gutes Angebot. Wer sich spät oder während der Hauptreisezeit entscheidet, hat Nachteile. Die kostengünstigere Verbreitung von KI und lernenden Algorithmen machen jedoch die Einführung des Flex-Preis-Modells in einer wachsenden Zahl von Verbraucherbranchen attraktiv. 

Manche Experten schätzen, das Prinzip wird irgendwann überall gelten. Der Internet-Händler Amazon ändert die Preise seiner Produkte im Durchschnitt alle zehn Minuten und nutzt Millionen von Echtzeitdaten, um im Messen mit der Konkurrenz Nachfragespitzen zu verfolgen. Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ergab schon im Jahr 2018, dass Flex-Tarife die Erlöse von Airlines im Vergleich zu Standardpreisen zwischen ein und vier Prozent verbesserten. 

Noch wenig „Flex Pricing“ in Europa

Am weitesten scheint das Modell dynamischer Preise im Einzelhandel in den USA zu sein. Anbietern spezialisierter Software zufolge hinkt Europa in der Anwendung noch hinterher, wobei in den nordischen Ländern schon mehr als jeder zweite Einzelhändler mit Flex-Preisen operiere – in Ländern wie Deutschland, Österreich oder Großbritannien aber weniger. 

Im Musikgeschäft beispielsweise haben internationale Stars allerdings schon Konzertgänger mit unberechenbaren Preisen verärgert – so etwa Bruce Springsteen bei einer US-Tour im Jahr 2022, als die Tickets bis auf 5.000 Dollar kletterten. Auch Fans, die bei Ticketmaster Konzertkarten für Tourneen von Beyoncé, Coldplay oder Harry Styles ergatterten, machten ihrem Frust über plötzlich doppelte Eintrittspreise öffentlich Luft. In den USA wurde über Gegenwind für die Fastfood-Kette Wendy’s berichtet, als sie dynamische Preismodelle ausprobieren wollten. 

Konzertveranstalter kritisiert Taylor Swift 10.45

Grundsätzlich können Unternehmen mit flexiblen Preisen schnell auf sich ändernde Kundenpräferenzen reagieren und die Preise entsprechend anpassen. Wenn etwa ein bestimmtes Produkt oder Dienstleistung aufgrund eines viralen Trends stark nachgefragt wird, können die Preise angehoben werden, um dem Anstieg Rechnung zu tragen. So kann das Umsatzpotenzial optimiert werden, wenn Markttrends analysiert und Spitzennachfragezeiten erkannt werden. 

Merlin Entertainments muss O’Neil zufolge auf die niedrigen Besucherzahlen seit der Corona-Pandemie reagieren. Der Konzern vermeldete dieser Tage Rekorderlöse von 2,1 Mrd. Pfund für 2023, acht Prozent mehr als im Vorjahr, vor allem dank des starken Andrangs internationaler Besucher in Metropolen wie London. Insgesamt lag der Ticketverkauf in 141 Attraktionen in 23 Ländern mit 62 Millionen Kunden zwar 18 Prozent im Plus, aber noch unter den verbuchten 67 Millionen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019. 

Handelsexperten empfehlen, Preisschwankungen besser als Nachlässe zu vermarkten –schließlich wolle man Kunden nicht vergraulen, sondern binden. Also können sich Legoland-Besucher künftig auf Schlechtwetterrabatte freuen.