Anfang des 19. Jahrhunderts zogen Hunderte Millionen von Wandertauben über Nordamerika hinweg. Doch Jäger machten unermüdlich Jagd auf sie. Das letzte Exemplar verstarb 1914 in einem Zoo in Ohio. 

Als Martha am Nachmittag des 1. September 1914 im Zoo von Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio tot auf dem Boden ihres Käfigs lag, war die Trauer groß. Schließlich galt sie als Berühmtheit, die unzählige Besucher anlockte. Denn die Wandertaube war die letzte ihrer Art, nachdem zwei männliche Artgenossen im Jahr 1910 im selben Zoo gestorben waren. Martha, die ihren Namen zu Ehren der ersten US-First Lady, Martha Washington, erhielt, wurde 29 Jahre alt.

Dass ihre Art einmal aussterben würde, konnte sich nur wenige Jahrzehnte zuvor niemand vorstellen. Schließlich war der Vogel die am häufigsten vorkommende Art in Nordamerika gewesen. In riesigen Schwärmen zogen sie über das Land hinweg – Hunderte Millionen von Vögeln. Berichten zufolge verdunkelten sie den Himmel oft stundenlang. Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Art einst 25 bis 40 Prozent des gesamten Vogelbestands in den Vereinigten Staaten ausmachte.  Mit einem Gesamtbestand von drei bis fünf Milliarden Exemplaren Anfang des 19. Jahrhunderts zählte sie zu den häufigsten Vogelarten der Welt.

Taubentöter 20:27

Im Winter legten die Vögel in den Wäldern Schlafplätze an. Jeder dieser Schlafplätze hatte oft eine so große Anzahl von Vögeln, die so dicht gedrängt waren, dass unter ihrem Gewicht häufig die Äste der Bäume brachen. Wenn das Nahrungsangebot erschöpft war oder die Wetterbedingungen ungünstig, suchten sie sich einen neuen Schlafplatz an einem günstigeren Ort. Ein einziger Nistplatz konnte sich über viele Tausend Hektar erstrecken, was die Jagd auf die Tiere begünstigte. Und Jäger machten unerbittlich Jagd auf das Federtier. Die schmackhaften Vögel wurden oft zu Schleuderpreisen verkauft – teilweise gab es das Dutzend für gerade einmal 50 Cent. Vor allem der Fortschritt wurde ihnen zum Verhängnis. Denn mit der damals neuen Telegrafentechnik konnten die riesigen Brutkolonien der Tauben ausfindig gemacht und die Tiere per Eisenbahn zu den Konsumenten gebracht werden.

Es gab damals keine Gesetze, die die Anzahl der getöteten Tauben oder die Art und Weise, wie sie geschossen wurden, einschränkten. Da die Vögel gemeinschaftlich lebten, ließen sie sich mit Hilfe von Köderfallen und Lockvögeln leicht fangen. Sie wurden an den Nistplätzen erschossen, die Jungvögel mit langen Stöcken aus den Nestern geschlagen. Unter den Bäumen, in denen sie sich niederließen, wurden Töpfe mit brennendem Schwefel aufgestellt, damit die Vögel durch die Dämpfe betäubt wurden und zu Boden fielen. 

Martha: Letzte Wandertaube ist heute im Museum

Um 1850 war die Vernichtung der Tauben in vollem Gange und um 1860 wurde festgestellt, dass die Zahl der Vögel zu sinken schien. Trotzdem ging das Töten ging weiter. Jegliche Versuche, die Art durch Nachzucht der überlebenden Vögel in Gefangenschaft zu retten, waren nicht erfolgreich. Die Wandertaube war ein kolonialer und geselliger Vogel und benötigte für optimale Zuchtbedingungen eine große Anzahl. Es war nicht möglich, die Art mit einigen wenigen in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln wieder anzusiedeln. 

Eine der letzten großen Nistungen der Tauben fand 1878 in Petoskey, Michigan, statt. Hier wurden fast fünf Monate lang 50.000 Vögel pro Tag getötet. Als die erwachsenen Vögel, die dieses Massaker überlebt hatten, versuchten, an neuen Standorten erneut zu nisten, wurden sie bald von den Berufsjägern aufgespürt und getötet. Noch bevor sie eine Chance hatten, Junge aufzuziehen.

Als Martha am 1. September 1914 starb, ließ man sie sofort zu einem Eisblock einfrieren und per Schnellzug zur Smithsonian Institution in Washington, DC, transportieren. In der Forschungseinrichtung wurde ihr Körper sorgfältig als Präparat und anatomisches Exemplar konserviert. Heute können sie Besucher des National Museum of Natiural History in der Ausstellung „Objects of Wonder“ bestaunen.

Sehen Sie oben im Video: Mehr als 1,4 Millionen Nutzerinnen und Nutzer haben ein Video der selbsternannten „Tauben Muddi“ Nina Sperling bereits angesehen. Der Grund: Auf ihrem Balkon hat eine Taubenmutter Nachwuchs bekommen. 

Quellen: Smithsonian Institution, National Museum of Natural History, DPA-Archiv