Die gefühlte Sicherheit im Land passe nicht zu den Zahlen in der Kriminalstatistik, sagt Innenministerin Behrens. Doch Gewalttaten nehmen zu.
Das Gefühl der Unsicherheit vieler Menschen passt nach Einschätzung von Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens nicht zur tatsächlichen Entwicklung der Kriminalität. „Niedersachsen ist ein sicheres Bundesland“, sagte die SPD-Politikerin bei der Vorstellung der Kriminalstatistik.
Diese zeigt in der Tat einen Rückgang bei den Fallzahlen: Demnach wurden im Jahr 2024 insgesamt 529.264 Straftaten registriert – rund 24.000 weniger als im Vorjahr. Allerdings nahmen Gewaltdelikte zu, während etwa die Hälfte des Rückgangs mit der Entkriminalisierung von Cannabis zu begründen ist.
Etwa 222.000 Menschen wurden als Tatverdächtige ermittelt, rund 5.400 weniger als im Vorjahr. Rund zwei Drittel der Verdächtigen waren Deutsche.
„Die gute Zeit ist die heutige Zeit“
„Viele Bürgerinnen und Bürger sind der Überzeugung, dass die Kriminalitätsbelastung kontinuierlich steigt und die Lage, einfach gesagt, immer schlimmer wird“, sagte Behrens. „Wahr ist jedoch, in der Langzeitbetrachtung erleben wir seit den 1990er Jahren einen deutlichen Rückgang der Kriminalitätsbelastung in Niedersachsen, und zwar quer durch alle Deliktsfelder.“
Die gute alte Zeit, die sich mancher zurückwünsche, habe es mit Blick auf die Zahlen nicht gegeben. „Die gute Zeit ist die heutige Zeit“, sagte Behrens. Man dürfe Populisten in dieser Hinsicht nicht die Meinungshoheit überlassen.
Landespolizeipräsident Axel Brockmann gab sich zurückhaltender: „Aus meiner Sicht gilt es nun abzuwarten, ob sich diese positive Entwicklung der Gesamtkriminalität auch in den nächsten Jahren so weiter fortsetzen wird.“
Gewalt nimmt zu – Messerangriffe auf hohem Niveau
Die Kriminalstatistik weist für 2024 einen Anstieg von Straftaten gegen das Leben aus (plus 47 auf 400). Ein Höchststand ist das allerdings nicht: 2016 wurden noch mehr als 500 Fälle erfasst. Jedoch gab es auch mehr Rohheitsdelikte und Taten gegen die persönliche Freiheit (plus 2.817 auf 97.869) und mehr Körperverletzungen (plus 853 auf 43.656).
Bei den Messerangriffen setzte sich der starke Anstieg der vergangenen Jahre nicht fort, die Zahlen bleiben aber auf hohem Niveau: Wie im Vorjahr gab es etwas mehr als 3.000 Taten, davon waren etwa die Hälfte Bedrohungen. In 18 Fällen wurden vorsätzliche Tötungsdelikte mit einem Messer begangen (Vorjahr: 10), davon fielen elf Taten unter häusliche Gewalt.
Ministerin Behrens sagte zu der Zunahme von Gewaltdelikten, sie habe Verständnis für die Angst vor Kriminalität. Im langjährigen Vergleich sei die Gefahr, Opfer zu werden, aber deutlich zurückgegangen. „Die Gefahr, dass man an der Bushaltestelle, im Hauptbahnhof oder auf der Straße Opfer von Gewalt wird, ist relativ gering“, sagte sie. Zudem könne die Polizei die meisten Gewalttaten aufklären.
Mehr häusliche Gewalt – Land will Fußfessel einführen
Mit Sorge sieht Behrens insbesondere die Zunahme häuslicher Gewalt. „Der gefährlichste Ort für eine Frau ist leider das eigene Zuhause“, sagte sie. „Das ist nicht zu ertragen.“ Die Zahl der Taten stieg deutlich um 2.670 auf 32.545.
Die Ministerin kündigte daher an, das Land wolle sowohl den Einsatz von Fußfesseln bei Tätern häuslicher Gewalt als auch den Einsatz von Bodycams in Wohnungen erleichtern. „Es ist wichtig, dass wir die Opfer von häuslicher Gewalt konsequent schützen und die Täter bestrafen“, sagte sie.
Polizei sieht Cannabis-Legalisierung kritisch
Im Bereich der Drogenkriminalität wurden alleine in Bezug auf Cannabis mehr als 12.000 Fälle weniger registriert. Auch bei anderen Drogen gingen die Fallzahlen zurück – Landespolizeipräsident Brockmann sieht darin einen Zusammenhang zur Teil-Legalisierung von Cannabis, die den Einstieg in Ermittlungen erschwert habe.
Der Rückgang von Cannabis-Vergehen sei für die Polizei deswegen nur vordergründig erfreulich, weil sie weniger zu bearbeiten habe. „Fakt ist nach unserer Überzeugung aber, dass der mit der Teil-Legalisierung noch gewachsene Bedarf weder durch den Eigenanbau noch durch die Anbauvereinigungen gedeckt werden kann. Wir müssen deshalb davon ausgehen, dass die Beschaffung zu einem großen Teil weiterhin auf dem illegalen Markt erfolgen wird“, sagte Brockmann.
So reagieren Gewerkschaft und Opposition
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht in dem statistischen Rückgang der Kriminalität insgesamt und der leicht auf 63 Prozent gestiegenen Aufklärungsquote Belege für eine gute Arbeit der Polizei. Allerdings dürften die Zahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Belastung der Kollegen weiter hoch sei, sagte GdP-Landesvize Sebastian Timke.
Der CDU-Innenpolitiker André Bock kritisierte, mit einer verfehlten Drogenpolitik würden die Fallzahlen manipuliert und die Statistik gefälscht. Zudem sei die Zahl ausländischer Tatverdächtiger mit 33 Prozent auffällig hoch. „Daher ist neben der Sicherheitswende auch eine Migrationswende dringend erforderlich“, sagte Bock.
Der AfD-Abgeordnete Stephan Bothe sagte, die weiter hohe Zahl von Messerangriffen zeige die „Sinn- und Nutzlosigkeit“ von Messerverbotszonen. Das Messer sei zu einem Symbol für „importierte Migrantengewalt“ geworden. Bei den Messerangriffen hatten laut Polizei 42 Prozent der Tatverdächtigen keinen deutschen Pass.