Bei einer privaten Krise leidet schnell auch die Arbeit. Ein Experte für Energiemanagement hat eine Checkliste entworfen und erklärt, wie der Spagat gelingt.
Bei der Work-Life-Balance ist es nicht nur der Job, der das Privatleben beeinträchtigt. Umgekehrt können sich private Sorgen oder Krisen schnell negativ im Berufsleben bemerkbar machen – und dort eine ungute Dynamik entwickeln. „Wenn uns das Privatleben über den Kopf wächst, neigen wir dazu, die Belastung als Bedrohung zu sehen – was zusätzlichen Stress erzeugen kann“, warnt Johannes Oberhofer, Experte für Energiemanagement. Genau deshalb ist privater Stress laut Oberhofer aber oft auch zumindest teilweise Einstellungssache.
Denn manche Menschen scheinen private Sorgen sehr gut von ihrem Berufsalltag trennen zu können. Warum? Um das zu erklären, verweist der Buchautor („Aufladen statt ausbrennen. Power-Strategien für energiegeladene Teams und zukunftsfähige Unternehmen„, Haufe) auf ein verbreitetes Modell zur Erklärung von Stress. Demnach ist es nicht die Situation an sich, die den Stress verursacht, sondern wie ein Mensch die Situation bewerten.
Stress im Job bewältigen
Wichtig ist auch, ob jemand bereits gute Mechanismen entwickelt hat, um Krisen zu bewältigen. „Persönliche Sorgen können die Qualität der Arbeit beeinflussen, wenn wir sie als überwältigend empfinden und unsere Ressourcen nicht ausreichen, um damit umzugehen“, sagt Oberhofer. Um diesem Gefühl der Hilflosigkeit entgegenzuwirken, rät der Energieexperte zunächst zu einer sorgfältigen Analyse, was genau an einer Situation den Stress erzeugt und welche Strategien es bereits gibt, damit umzugehen. „Indem wir bewusst hinterfragen, wie viel Kontrolle wir über die Situation haben und welche Ressourcen uns zur Verfügung stehen, können wir lernen, mit diesen Belastungen effektiver umzugehen“, sagt er.
Zugleich warnt der Experte der Versicherung Die Bayerische davor, sich selbst zu sehr unter Druck zu setzen. „Dass sich private Herausforderungen nicht einfach an der Tür zur Arbeit oder beim Aufklappen des Arbeitslaptops abstellen lassen, ist völlig normal“, beruhigt er. Andererseits sei es aber wichtig, sich dessen bewusst zu sein und achtsam zu bleiben. „Ich habe es sehr oft erlebt, dass Menschen die Warnsignale des eigenen Körpers ausblenden um zu ‚überleben‘ – manchmal bewusst, manchmal unbewusst“, erzählt Oberhofer.
Johannes Oberhofer ist KI-Projektleiter bei der Versicherung die Bayrische. Zuvor war er in der Gesundheitsberatung und im Gesundheitsmanagement tätig
© PR
Private Probleme derart zu negieren und sich im Job „durchzubeißen“, könne bis zum Burn-out führen. Ein Warnsignal ist es für Oberhofer, wenn Aktivitäten, die Energie verleihen, vernachlässigt werden. Da wird beispielsweise das Treffen mit Freunden abgesagt, um länger zu arbeiten. „Wenn wir ständig das Gefühl haben, noch mehr leisten zu müssen und dafür unsere persönlichen Erholungsstrategien opfern, führt das zu einer Überforderung unserer mentalen Ressourcen. Um dem entgegenzuwirken, ist es wichtig, regelmäßig innezuhalten und zu reflektieren“, rät Oberhofer.
Umgekehrt kann es aber auch sein, dass die private Krise immer mehr auf den Job übergreift. Für eine gewisse Zeit mag das unausweichlich sein. „Bei einer akuten Krise, wie einem Trauerfall oder einer Scheidung, ist die Belastung intensiv, aber typischerweise zeitlich begrenzt“, erklärt Oberhofer. Der Körper könne sich erholen, sobald der Stress nachlasse. Anders bei einer chronischen Überforderung im Privatleben. Die wird laut dem Experten aber häufig zu spät erkannt, weil sich die Erschöpfung und die nachlassende Arbeitsqualität schleichend einstellten. Auch hier gilt: wachsam bleiben.
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Erholung im Büro
Tagsüber immer mal wieder den Akku aufzuladen, ist bei privaten Krisen besonders wichtig. Oberhofer empfiehlt, den sogenannten ultradianen Zyklus zu nutzen. Demnach wechseln sich Phasen hochkonzentrierten Arbeitens (rund 90 bis 120 Minuten) mit kurzen Leistungstiefs ab. Letztere sollten laut dem Experten genutzt werden, um regelmäßig die Energiereserven aufzuladen. Bereits fünf Minuten bewusst den Blick in die Ferne schweifen zu lassen – notfalls nur ans andere Ende des Großraumbüros – kann Oberhofer zufolge bereits helfen.
Arbeitgeber, die diesen Tagesablauf mit Erholungsphasen fördern, werden laut Oberhofer nicht nur mit produktiveren Beschäftigten belohnt. Wenn Mitarbeiter im Privatleben überfordert seien, gehe es nicht nur um individuelles Leiden. Auch die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens stehe auf dem Spiel, sagt der Experte und verweist auf die alarmierend gestiegenen Zahlen zu Burn-out und anderen psychischen Störungen.
Oberhofer rät: Ähnlich wie im Sport sollten Führungskräfte sich als Trainer verstehen, für die das Wohlbefinden ihrer Mannschaft eine Hauptaufgabe darstellt. „Auch wenn das Verhältnis zu einem Beschäftigten nicht besonders eng ist, bleibt es entscheidend, dass Führungskräfte ihre Rolle reflektieren und anpassen“, sagt der Experte. Offen über Probleme und Wünsche zu sprechen, sei dabei zentral.
Abschließend noch einmal Oberhofers Checkliste, damit private Krise den Job möglichst wenig tangieren:
Bewusstsein für den Stressauslöser entwickelnBestehende Bewältigungsstrategien nutzenPersönliche Energiegeber identifizierenZeiten zum Aufladen integrierenOffen kommunizieren