Auf Baustellen wird geklaut, was nicht niet- und nagelfest ist. Diebe lassen vor allem nachts teures Werkzeug mitgehen und verkaufen es weiter. Das größte Problem für Bauherren? Nicht die Beute.

   Auf ihren meist nächtlichen Beutezügen lassen sie alles mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist. Auf den Baustellen in Baden-Württemberg wird Stahl gestohlen, Winkelschleifer und Rüttelplatten stehen auf den Wunschlisten der Diebe, sie lassen Schweißmaschinen, Toilettenschüssel und Hunderte Meter Stromkabel mitgehen. Selbst größere Baumaschinen sind nicht sicher. Die Banden haben leichtes Spiel: Denn nur die größeren Baustellen sind gut gesichert. Schlagen sie nachts zu, schützt sie zudem die Dunkelheit. Mit vollgeladenen Lastwagen machen sie sich unerkannt buchstäblich aus dem Staub.

Jahr für Jahr richten Diebe so auf Baustellen und an Rohbauten einen Millionenschaden an. Nach Angaben des Landeskriminalamts wurden im vergangenen Jahr im Südwesten insgesamt 2156 Diebstähle aus unbezogenen Neu- und Rohbauten, Baubuden oder auf Baustellen erfasst, das sind ungefähr so viele wie im Jahr zuvor (2022: 2182). 

Geringe Aufklärungsquote

Dafür ist der Sachschaden deutlich gestiegen. Er legte um 15,5 Prozent auf insgesamt mehr als 9,90 Millionen Euro zu (2022: 8,57 Millionen Euro). Zum Vergleich: Vier Jahre zuvor hatte der Schaden durch eine ähnlich hohe Zahl an Diebstählen bei 6,60 Millionen Euro gelegen. Begehrt vor allem: Kabel und Werkzeug, Bohrschrauber, Kreissägen, Winkelschleifer und Batterien.

Für die meisten Diebe ist der Beutezug eine sichere Sache. Nur 10,9 Prozent der Fälle wurden laut LKA im vergangenen Jahr aufgeklärt. Ab und an allerdings werden einige Diebe doch auf frischer Tat ertappt. Von den Prozessen gegen sie und möglichen Geständnissen erhoffen sich Ermittler oft bessere Kenntnis darüber, wie verzweigt die Netzwerke der Kriminellen sind.

Wenig Probleme und viel Zeit für Diebe

Derzeit sitzen etwa in Heilbronn acht Männer auf der Anklagebank, die Kabel von verschiedenen Baustellen gestohlen haben sollen, um das darin enthaltene Kupfer zu verkaufen. Dazu sollen sie laut Anklage die Starkstromkabel vom Verteilerkasten durchtrennt und somit vom Strom genommen haben. Danach zerlegten sie die Kabel von oft mehreren Hundert Metern Länge in transportable Stränge und legten sie auf der Baustelle oder in unmittelbarer Nähe zum Abtransport bereit. Mal nahmen sie die Kabel ganz mit, mal schnitten sie sie mit einem Cuttermesser der Länge nach auf, legten die Kupferkabel frei und ließen die Isolierung auf der Baustelle zurück.

Die acht Männer gehören zu den wenigen Tatverdächtigen, die ertappt oder ermittelt werden. Auch die Beute ist oft spurlos verschwunden. Kein Wunder, denn auf Baustellen haben Diebe oft wenige Probleme und viel Zeit. Die Areale sind nachts meist verlassen und selten beleuchtet. Zeugen auf den oft großen Arealen gibt es meist nicht, daher fehlen oft entscheidende Hinweise auf die Täter, wie das LKA mitteilt. Außerdem seien Baustellen in der Regel gut anzufahren. „Das ermöglicht den Tätern, größere Mengen an Diebesgut wie Werkzeuge, Baumaterialien oder Wertgegenstände mit größeren Fahrzeugen zu entwenden“, sagte eine LKA-Sprecherin. 

Die gestohlene Ware wird nach Erfahrungen der Polizei entweder auf Bestellung geklaut, schnell in bare Münze umgesetzt oder selbst genutzt, die Maschinen landen aber auch als Hehlerware auf dem Markt. Vielleicht ist auch der Mini-Bagger dort zu finden, der erst vor einer Woche am Bahnhof in Königsbach (Enzkreis) gestohlen wurde, die beiden Trennschleifer aus Dorhan (Kreis Rottweil) oder die 150 Meter Kupferkabel. Diebe hatten sie ausgerechnet auf der Baustelle des künftigen Gefängnisses geklaut. 

Diebstahl kann existenzbedrohend sein

Bauarbeiter versuchen, sich mit Zäunen und Videoüberwachung, Radkrallen, Beleuchtung oder Bewegungsmeldern zu helfen. Vor allem größere Maschinen werden auch mit GPS-Trackern versehen. Und nicht selten greifen Firmen zu einem alten Trick und sichern das teure Material mit dem Kran in der Luft.

Offiziell bekannt ist nur der Millionen-Schaden durch die Beute und durch zum Beispiel zerschnittene Zäune. Aber für selbstständige Handwerker und kleinere Handwerksbetriebe kann so ein Diebeszug auch existenzbedrohend sein. Nicht immer tritt eine Versicherung für den Schaden ein. Kommt hinzu, dass eine Baustelle auch mal für Stunden oder gar Tage lahm liegen kann, wenn wichtiges Material wie zum Beispiel eine Wärmepumpe für mehr als 10.000 Euro plötzlich nachbestellt werden muss. Oder wenn fest eingeplante Arbeit ruht. 

So soll es auch in mehreren Fällen der mutmaßlichen Heilbronner Bande gewesen sein. Stahlen sie zum Beispiel in Stuttgart laut Anklage Kupfer im Wert von etwa 40.000 Euro, so liegt der Gesamtschaden bei rund 100.000 Euro. Denn ohne die Stromversorgung konnte einen Tag lang auf der Baustelle nicht gearbeitet werden. Bei einem weiteren Diebstahl in Stuttgart versechsfachte sich der Schaden durch den Stillstand der Baustelle.