Neue Ideen gegen leere Bänke: Während immer mehr Menschen der Kirche den Rücken kehren, setzen einige Gemeinden auf kreative Gottesdienste. Was Rheinland-Pfalz und das Saarland zu bieten haben.

Dutzende elektrische Kerzen hängen in der Kirche in Albersweiler (Landkreis Südliche Weinstraße) an transparenten Schnüren, damit es aussieht, als würden sie schweben – passende Deko für den ersten Harry-Potter-Gottesdienst im Ort. „Unsere Kirche hat mich schon immer an die Große Halle erinnert“, sagt Pfarrerin Andrea Cordas. Sie hat die Veranstaltung mitorganisiert: Eine kurze Predigt, dann 15 interaktive Stationen, die Bibel und Harry Potter auf einen Nenner bringen sollen. „Es gibt zum Beispiel eine Station zum Einsatz für Minderheiten, passend zu den Hauselfen in Harry Potter“, erzählt Cordas. Dazu: Brausepulver-Zaubertränke und selbstgebastelte Quidditch-Tore.

Zauberspruch-Fürbitten und das Motiv der Liebe

Inspiriert wurde Cordas von einem anderen Harry-Potter-Gottesdienst in der Pfalz, veranstaltet von Pfarrerin Ute Metzger. „Expecto Patronum“ lautete das Motto Anfang des Jahres in deren Gemeinde in Bockenheim – ein Zauberspruch, der in den Büchern ein geisterhaftes Schutzwesen heraufbeschwört. „Das Anrufen des Schutzgeistes – das haben wir in der Bibel auch“, sagt Metzger. Für sie haben die Botschaften der Romane und der Kirche viel gemeinsam: „Dieses starke Motiv der Liebe, für die man Opfer bringt, findet sich in der Bibel und auch in diesen Büchern.“

Die Fürbitten schrieb die Pfarrerin passend zu Zaubersprüchen wie „Lumos“ und „Expelliarmus“, dazu gab es weiße Luftballons in Eulenform und Hogwarts-Banner. Voll bis auf den letzten Platz sei die Kirche in dem kleinen Ort an dem Abend gewesen. „Wir hätten eigentlich auf Tour gehen können. Ich hatte Anfragen von Süddeutschland bis Norddeutschland“, sagt die Pfarrerin. „Uns geht es darum, Menschen zu erreichen. Türen zu öffnen und zu zeigen: Glaube und Liebe sind noch relevant.“

Raus aus den Kirchenmauern

Die beiden Pfarrerinnen sind nicht die Einzigen, die das Konzept klassischer Predigten aufmischen. Im Autoscooter auf dem Bad Kreuznacher Jahrmarkt oder direkt vor dem Fitnessstudio in Dudenhofen bei Speyer: Gottesdienste finden längst nicht mehr nur in der Kirche statt. Solche kreativen Formate werden gut angenommen, heißt es vom Bistum Trier: Der Bezug zum Glauben und der zum eigenen Leben kommen dabei demnach besonders eng zusammen. 

Die Evangelische Kirche der Pfalz sieht das ähnlich: „Glauben und Gemeinschaft sind nicht an Kirchenmauern gebunden und keine exklusiven Angebote, sondern ein Angebot, eine Einladung an alle Menschen“, erklärt eine Sprecherin. Auch Menschen, die mit einem klassischen Gottesdienst wenig anfangen können, können ihr zufolge so die Kirche kennenlernen.

Spiritueller Whisky und Weihwasser fürs Motorrad

Wie zum Beispiel im saarländischen Merzig: Ende Oktober gab es dort zum ersten Mal einen Whisky-Gottesdienst inklusive irischer Musik und anschließender Verkostung – und zwar „unabhängig von Glauben oder Konfession“. Auf die Idee sei sie über ein Buch über die Spiritualität des Whiskys gekommen, erzählt Prädikantin Silja Pagel. Die Spirituose und den Glauben einen ihr zufolge unter anderem die Themen Achtsamkeit und Genuss. „Wenn man einen Whisky runterkippt, merkt man nichts davon“, erklärt sie. Beim menschlichen Miteinander sei das genauso: „Nur, wenn ich im Hier und Jetzt bin, kann ich mein Gegenüber wahrnehmen.“ 

Ihr Anspruch sei es nicht gewesen, etwas Neues zu erfinden, sondern Glauben in andere Worte zu packen und den Fokus auf das Alltägliche zu legen. Im Vorhinein konnten sich die Interessierten wenig unter einem Whisky-Gottesdienst vorstellen, waren aber neugierig – und im Nachgang begeistert, sagt Pagel. „Es war erfrischend anders, war die Rückmeldung. Einer hat gesagt: Wenn Gottesdienst häufiger so wäre, würde ich häufiger in die Kirche gehen.“

Andere ungewöhnliche Gottesdienste blicken hingegen auf eine lange Tradition zurück. In Klausen (Landkreis Bernkastel-Wittlich) zum Beispiel: Jedes Frühjahr kommen zur Motorradwallfahrt an die tausend Biker oder mehr in den kleinen Ort – seit fast 30 Jahren. Erst eine Messe an der frischen Luft mit E-Gitarre, Schlagzeug und Zuhörern in Motorradkluft, dann eine Segnung für die Zweiräder. „Ich stehe dann an der Straße mit Messdienern und die Biker fahren an mir vorbei“, erzählt Pater Albert Seul, der Priester in Klausen ist. Beim Segnen spare er nicht mit Weihwasser und sorge damit für gute Stimmung. „Ich bin am Ende ganz nass. Das hat auch einen Gaudi-Faktor.“

„Kein himmlischer Spielverderber“

Genau darum geht es Seul: Kirche habe zwar auch mal mit ernsten Themen zu tun, solle aber auch Spaß machen und kein reines Pflichtprogramm sein. „Für mich ist der liebe Gott kein himmlischer Spielverderber“, sagt er. Neben der Motorradwallfahrt macht der Priester auch Tiersegnungen, außerdem gebe es eine Traktorwallfahrt. „Seit Neuestem bin ich Camper und kann mir vorstellen, auch mal eine Camper-Segnung zu machen.“

Auch Pfarrerin Ute Metzger hat weitere Ideen. Anfang 2025 soll es eine Neuauflage des Harry-Potter-Gottesdienstes geben – erst in Bockenheim, dann in Ludwigshafen. Zwar sei danach erst mal Schluss mit Hogwarts. Sie könne sich aber vorstellen, danach beispielsweise mit Star Wars oder Herr der Ringe weiterzumachen. Auch dazu fänden sich viele Parallelen zur Bibel. Und: „Ich würde mich auch mal an einen ABBA-Gottesdienst rantrauen.“