Unionsvizefraktionschef Sepp Müller will ein ETF-Depot für alle. Auch Friedrich Merz ist ein Fan der Idee. Aber kann das wirklich funktionieren?
Die Union könnte mit dem Schlachtruf „Aktien für alle!“ in die Bundestagswahl ziehen. Dafür wirbt der Vizefraktionschef der Union, Sepp Müller (CDU): „Ich kämpfe für ein Kinderstartkapital für jedes deutsche Kind“, sagte Müller dem stern. „Es wäre wie ein Deutschland-ETF – und zwar für jedes Kind, unabhängig vom Reichtum der Eltern.“
Die Deutschen sind traditionell aktienskeptisch. Jeder sechste Deutsche legt Geld an in Aktien, Fonds oder börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Die Zahl stagniert seit Jahren, ist im internationalen Vergleich eher niedrig. In Deutschland gilt oft das Bild: Aktien? Das ist nur etwas für Reiche und Risikoliebhaber.
„Ein Versprechen der sozialen Marktwirtschaft erfüllen“
Müller begründet seinen Vorstoß mit den ungleich verteilten Vermögen in Deutschland. „Wir sehen in Deutschland eine wachsende Vermögensungleichheit in Ost und West, zwischen Männern und Frauen, Akademikern und Arbeitern.“ Dagegen helfe nicht nur Umverteilung von oben nach unten, kritisiert Müller. „Stattdessen müssen wir alle Menschen stärker am Produktivkapital beteiligen.“
Die Beteiligung der Menschen an Gewinnen der Wirtschaft sei ein zentrales Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft, sagte Müller, das tief verwurzelt sei in der katholischen Soziallehre. „Dafür ist ein staatlich finanziertes Kapitalmarktkonto eine sichere und lukrative Möglichkeit.“ Müller plädiert dafür, behutsam damit anfangen, sodass mittel- und langfristig Kapital aufgebaut werden kann.
Wirtschaftsweise fordern ähnliches Konzept
Erst im Oktober hatten die Wirtschaftsweisen einen ähnlichen Vorschlag vorgelegt. Danach sollte der Staat jedem Kind ab dem sechsten Geburtstag monatlich Fondsanteil im Wert von zehn Euro schenken. Bis zum 18. Geburtstag käme so ein staatlich finanziertes Startkapital von 1560 Euro zusammen. Legt man eine durchschnittliche jährliche Rendite von vier Prozent zugrunde, wären dies bis zum 18. Geburtstag rund 2000 Euro.
Erst ab dem 18. Geburtstag könnte das Kind dann Geld aus dem Depot entnehmen. Allerdings soll der Fonds auch weitergeführt werden können und als Altersvorsorge dienen. Letzteres präferiert der CDU-Politiker Müller: Das Geld solle lieber als Sicherheit für größere Investitionen in ein Haus, Auto oder Unternehmensgründungen dienen und erst mit dem Renteneintritt ausgezahlt werden.
Die SPD will lieber ein Grunderbe für alle
Sozialverbände kritisierten die Idee bereits. Der Staat solle lieber Geld direkt in Bildung investieren, als Geld für Kinder am Kapitalmarkt anzulegen. Aus der SPD kommt dagegen der Vorschlag für ein Grunderbe von 20.000 Euro für alle 18-Jährigen. Es soll durch eine höhere Erbschaftssteuer finanziert werden.
20.000 Euro für jeden Deutschen 21.06
Unionsvize Müller ist mit seinem Vorstoß jedenfalls ganz auf der Linie seines Parteichefs. Friedrich Merz hatte am 7. November bei einer Veranstaltung des Startup-Verbandes gesagt, er könne sich ein staatlich gesponsertes Kapitalmarktkonto für jedes Kind vorstellen. „Ich habe mich damit in der CDU noch nicht ganz durchsetzen können, aber das steht noch bevor“, sagte der Kanzlerkandidat damals. Schon für das nächste Wahlprogramm?
Kostet der „Deutschland-ETF“ nur 91 Millionen Euro im Jahr?
Die Union arbeitet in diesen Wochen an ihren Vorschlägen für den Wahlkampf will das Programm noch vor Weihnachten fertigstellen. Über verschiedene Ausgestaltungen eines möglichen Kinderstartkapitals und die Finanzierung wird derzeit diskutiert.
Deutschlands Wirtschaftsweise halten die Idee für machbar: Ein langsamer Start mit zehn Euro pro Monat würde auch die Kosten begrenzen, erklärten sie im Oktober. Ein derart gestaltetes Kinderstartgeld würde den Bund 120 Euro pro Kind und Jahr. Damit würde der „Deutschland-ETF“ erstmal nur 91 Millionen Euro im Jahr kosten.