Eigentlich sollte die österreichische Sängerin Anja Plaschg für den Film „Des Teufels Bad“ nur die Musik übernehmen – und spielt jetzt auch die Hauptrolle. 

Es soll nur um die Filmmusik gehen, als sich Anja Plaschg zum ersten Mal mit den Regisseuren von „Des Teufels Bad“ trifft . Das Drehbuch aber habe sie sofort gepackt, „weil es tief mit meiner Familiengeschichte verwurzelt war: transgenerationale Traumata, Katholizismus, Depression“, sagt die Musikerin, die seit Jahren unter dem Künstlernamen „Soap & Skin“ erfolgreich ist. Kurz darauf war sich das Regie-Duo Veronika Franz und Severin Fiala einig, dass Plaschg auch die Hauptrolle spielen müsse.

Was damals wie ein Wagnis scheint, wirkt aus heutiger Sicht wie ein Glücksfall. Gerade weil Plaschg mit allem Theatralischen extrem sparsam umgeht, die Verzweiflung ihrer Figur minimalistisch ausspielt, gelingt die Darstellung dieser tragischen Frauenfigur wahrhaftig und mit Bedacht.

Im Kontrast dazu stehen grausame Szenen, Enthauptungen und Morde. Schon in den ersten Filmminuten wirft eine Frau ihren schreienden Säugling über einen hohen Wasserfall in den Tod. Doch die Täterinnen sind auch Opfer. Denn die eigentliche Gewalt entspringt der Gesellschaft selbst.

Sie mordeten, um zu sterben

Erzählt wird die Geschichte von Agnes, einer jungen Frau, die im bäuerlichen Milieu Oberösterreichs Mitte des 18. Jahrhunderts in eine unselige Ehe und somit in ein von Härte geprägtes Leben gerät, das sie bald lieber gegen den Tod eintauschen will. Ein Freitod kommt gemäß der religiösen Überzeugungen jener Zeit keinesfalls infrage, führt er doch, so der gepredigte Glaube, zur ewigen Verdammnis. Also entwickelt Agnes die Idee einer vermeintlichen Selbstbefreiung im Jenseits: Der katholischen Doktrin gemäß hat ein Mörder, der vor seiner Hinrichtung noch beichtet, Chance auf Erlösung. Also mordet sie, um die eigene Hinrichtung zu erwirken.

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Die bedrückende Gewalt dieser Handlung findet im Kopf der Frauen statt, die diesen Ausweg suchen. Wer die finstere und mythisch aufgeladene Story für überzogen hält, wird spätestens im Abspann eines Besseren belehrt. Das Filmwerk, das auf der Berlinale Uraufführung feierte und mit dem sich Österreich in diesem Jahr für den Auslands-Oscar bewirbt, beruht auf wahren Begebenheiten. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts trat besonders im deutschsprachigen Raum das Phänomen auf, dass verzweifelte Frauen, die sich den Tod wünschten, diesen fatalen Weg einschlugen.

Einer dieser Fälle ist jener der Ewa Lizlfellner, die ihr Kind ermordete und daraufhin die eigene Hinrichtung verlangte. Über 400 dokumentierte Fälle solcher „mittelbaren Selbstmorde“, wie es juristisch später benannt wurde, sind heute bekannt. In der Forschung spricht man von „suicide by proxy“, einem Selbstmord durch einen Stellvertreter.

„Nur dadurch, dass sie diese Verbrechen begangen haben, wurden ihre Geschichten dokumentiert“, sagt Anja Plaschg, die selbst ein ambivalentes Verhältnis zur katholischen Prägung ihrer Heimat pflegt.

Bei einem TV-Interview antwortete sie nur mit Ja und Nein

Von der umstrittenen Inszenierung des christlichen Volksstücks „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen des Jahres 2023 bleiben ihre sphärische Musik und die meditative Darstellung der allegorischen Figur des Glaubens in Erinnerung. Plaschg pflegt obendrein ein zurückhaltendes Verhältnis zur medialen Öffentlichkeit. In einem Fernsehinterview antwortete sie einmal auf die Fragen fast durchgehend mit Ja und Nein.

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Zur Premiere von „Des Teufels Bad“ hat sie nun mit dieser Zurückhaltung gebrochen und einige persönliche Dinge aus ihrer Familiengeschichte preisgegeben. Dem Wiener Magazin „FAQ“ offenbarte sie, religiös aufgewachsen zu sein: „Durch meine Großeltern väterlicherseits, mit denen wir bis zu ihrem Tod auf engem Raum zusammen-gelebt haben“, so Plaschg. „Meine Großmutter ist nach dem Tod meines Großvaters in eine Depression gefallen, die leider nicht erkannt und behandelt wurde. Man hat meine Oma nicht ernst genommen. So habe ich vier Jahre ihre Zustände miterlebt. Beim Dreh habe ich viel an sie gedacht. Sie hat auch damals immer die Himmelmutter angerufen und sie um Hilfe gebeten.“ Als Kind sei es heftig gewesen, mitzuverfolgen, „wie sich ihre Religiosität mit der Depression vermischte und wie diese Vermengung in Annäherung zum Tod und Sterben in ihr eskalierte“.

Zur Vorbereitung auf den im Dialekt gehaltenen Film sei sie eigens in die Steiermark zurückgekehrt, habe zwischen Bauern gelebt, um ihre Mundart zu reaktivieren. Psychologische Betreuung bei diesem schweren Thema habe sie aber abgelehnt, sagt sie: „Ich wusste: Ich gehe in den Wahnsinn.“

Soap & Skin: „Torso“
© Christian Schlager

Fast gleichzeitig zum Filmstart erscheint das neue Album der 34-Jährigen, die bereits im Teenager-Alter als musikalisches Wunder gefeiert wurde, die mit John Cale und Patti Smith auftrat und bei Daniel Richter Kunst studierte. „Torso“ ist ein Album voller Coverversionen – „weil es sich gut anfühlt, auch von mir wegzukommen“, sagt Plaschg.

Zumindest das gelingt ihr nicht. Anja Plaschg bleibt bei sich, auch wenn sie als „Soap & Skin“ große Songs von David Bowie, The Velvet Underground und Tom Waits interpretiert. Alles wird zu ihrer Musik, versinkt in ihrem eigenen Sound. Selbst ein Hit von Lana Del Rey, „Gods And Monsters“, kann wie ein Kommentar zum Film verstanden werden: „No one’s gonna take my soul away.“