Neuauflage gefällig? In „The Day of the Jackal“ verkörpert Eddie Redmayne den berühmten Killer „Der Schakal“ – und dürfte sowohl seine jüngeren als auch die älteren Fans verblüffen.
Ein gut gekleideter Mann geht auf den Markt und kauft eine Wassermelone. So beginnt eine legendäre Szene aus „Der Schakal“ von 1973.
Das Werk von Fred Zinnemann (die Romanvorlage von Frederick Forsyth war erst zwei Jahre vorher erschienen) gilt als einer der besten Politthriller aller Zeiten. Der Film funktioniert noch heute, obwohl man von Anfang an weiß, dass der Killer mit dem Tiernamen seinen Auftrag nicht erfüllen kann, welcher lautet: Töte den französischen Präsidenten Charles de Gaulle! Man kann bis kurz vor dem fulminanten Showdown nicht absehen, warum und wie genau er schließlich scheitert.
Das auf dem Markt erworbene Riesenobst dient dabei als Objekt für Zielübungen mit einem eigens für den Scharfschützen angefertigten Gewehr-Bausatz, der sich selbst durch strenge Sicherheitsprüfungen schmuggeln lässt. Eine Wassermelone ist ungefähr so groß wie ein menschlicher Kopf.
Zurück zum Original – und in die Gegenwart
Eine Neuverfilmung aus den 1990er-Jahren mit Bruce Willis und Richard Gere wich stark vom ursprünglichen Stoff ab und blieb auch an den Kinokassen hinter den Erwartungen zurück. Der Bezahlsender Sky wagt nun einen neuen Anlauf. Mit einer Miniserie, für die der britische Schriftsteller Forsyth, inzwischen 86, als Berater engagiert wurde.
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Die Handlung wurde in unsere Gegenwart gehoben. Im Visier des Schakals sind nun türkische Politiker, ein deutscher Bundeskanzler (gespielt von Burghart Klaußner) und ein Tech-Mogul, der mit einer revolutionären Software den Ultrareichen das Leben schwerer und Finanzströme transparenter machen will. In der fünften von insgesamt zehn Folgen kauft der von Eddie Redmayne gespielte Schakal – seine Verwandten und Geschäftspartner kennen ihn unter wechselnden Vornamen wie David, Peter oder Charles – auf dem Markt eine Melone ein und zeichnet auf sie ein Gesicht.
Es wird in diesem Jahr wohl kein Fernsehereignis mehr geben, das derart zum Bangen und Bingen einlädt wie „The Day of the Jackal“. Das liegt an der packenden Auffächerung der Original-Story sowie an den ausstatterischen Mühen. Mit Schauplätzen im gesamten Europa von der südspanischen Sonnenküste über Kroatien und Estland bis in Städte wie London und Paris, München und Budapest wirkt der Mehrteiler wie ein Cocktail aus James Bond, „Mission: Impossible“ und der peniblen Ermittlungsarbeit, wie sie in der Spionageserie „Slow Horses“ gezeigt wird.
„Unsere Produktion soll eine Liebeserklärung an das Original sein“, sagt Produzent Nigel Marchant. „Aber wir mussten die Themen natürlich aktualisieren.“ Bezugspunkte seien der zunehmende Rechtsradikalismus, größenwahnsinnige Social-Media-Gurus und der Datenleak der sogenannten Panama Papers gewesen.
Eddie Redmayne als Antiheld?
Zudem liefern die Darsteller. Die Rolle der Kontrahentin des Schakals, eine Ermittlerin im Dienste des britischen Geheimdiensts MI 6, hat die Londoner Schauspielerin Lashana Lynch inne. In „Keine Zeit zu sterben“, dem Bond-Schwanengesang von Daniel Craig, hatte sie bereits die legendäre Nummer 007 von ihm übernommen und sich als Nachfolgerin in Stellung gebracht.
Killer und Kontrahentin: Lashana Lynch als Ermittlerin, die den „Schakal“ jagt
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Die größte Verblüffung gelingt jedoch Redmayne als Antiheld. Der 42-Jährige mimt in der Neuauflage den gestressten Geschäftsmann mit Frau und Kind genauso glaubwürdig wie einen homosexuellen Liebhaber oder Waffennarren, der ohne Regung selbst Helfern mit einer Kreditkarte die Kehle durchschneidet, wenn seine Mission gefährdet ist.
Mit viel Make-up, falschen Haaren und Zähnen und diversen Latexmasken gleitet er auch als Greis im Rollstuhl überzeugend durch alle Kontrollen oder verkleidet sich als Deutsch sprechender Hausmeister und Chauffeur. Der Kriegsveteran – Einsatz in Afghanistan – ist der Polizei immer ein paar entscheidende Schritte voraus. Seine Millionen-Gage sollte man pünktlich überweisen: Er weiß, wo seine Auftraggeber wohnen.
Jüngere Zuschauer verehren den feinfühligen Redmayne – verheiratet, zwei Kinder und gut befreundet mit Benedict Cumberbatch und seinem ehemaligen Mitschüler Prinz William – wegen seiner Auftritte als linkischer Zoologe im Harry-Potter-Ableger „Phantastische Tierwesen“. Erwachsene schätzen seine oscargekrönte Verwandlung in Stephen Hawking für „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ von 2014 und seine beseelte Darstellung einer Transperson in „The Danish Girl“ von 2015.
So hartherzig, so verschlagen und abgebrüht wie als „Schakal“ hat man ihn bislang noch nicht erlebt. Danebenschießen ist keine Option. Selbst nicht bei Wassermelonen.