Weltweit drohen viele Korallenriffe abzusterben. Um dies aufzuhalten und den Korallenschutz zu stärken, fordern Forscher mehr Rechte für die Unterwasserparadiese.

Korallen sind vom Aussterben bedroht. Ein großflächiges Korallensterben im Great Barrier Reef sorgte in diesem Frühjahr für Aufsehen. Doch schon in den Jahren zuvor führte die Erwärmung der Ozeane weltweit zu sogenannten Korallenbleichen.

Intakte Korallen leben in Symbiose mit einzelligen Algen, die sie durch Photosynthese mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgen. Übersteigen die Wassertemperaturen ein bestimmtes Limit, stoßen die Korallen ihre mitbewohnenden Algen aus. Dadurch verlieren die Korallen auch ihre Farbe, sie bleichen aus. Nur ein paar Wochen oder Monate können die Riffbildner so überleben. Bleiben die Temperaturen unverändert hoch, sterben die Korallen ab.

Folge von zu wenig Korallenschutz: So sieht es mittlerweile an vielen Riffen weltweit aus – gebleichte Korallen aufgrund extrem hoher Wassertemperaturen
© Sebastian Szereday, Coralku, Malaysia

Korallenforscher Christian Voolstra von der Universität Konstanz ist Präsident der International Coral Reef Society (ICRS). Er warnt vor einem „Massensterben von einem der wichtigsten Ökosysteme des Meeres, mit dramatischen Folgen für Millionen Tierarten und Mikroorganismen – und auch für den Menschen.“ Voolstra geht davon aus, dass bis Ende des Jahrhunderts mehr als 90 Prozent aller Korallen weltweit absterben könnten.

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Millionen von Menschen, insbesondere in Küstenregionen, sind für ihre Ernährung, ihren Lebensunterhalt und ihren kulturellen Reichtum auf Korallenriffe angewiesen. „Der Schutz dieser Riffe sichert somit indirekt das Recht auf Nahrung, Wasser und Arbeit, besonders für indigene Gemeinschaften, die eng mit diesen Ökosystemen verbunden sind“, sagt Voolstra. 

Wer die Korallen schützt, schützt auch die Menschen

Der Forscher und zahlreiche Kollegen und Kolleginnen schlagen nun ein ungewöhnliches Mittel vor, um die Korallenriffe zu retten: Der Korallenschutz soll zum Menschenrecht erklärt werden. Das würde auch den sogenannten „One Health“-Ansatz fördern, demzufolge die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen untrennbar miteinander verbunden ist. 

Ein solches Recht hätte zahlreiche Konsequenzen. Die Staaten wären zu Beispiel völkerrechtlich verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz von Korallenriffen zu ergreifen, etwa durch strengere Umweltgesetze und eine bessere Durchsetzung bestehender Auflagen zum Schutz vor Verschmutzung, Überfischung und Klimawandel. Eine weitere Folge: Küstengemeinden, die stark von Korallenriffen abhängig sind, könnten ihre Rechte einfordern, beispielsweise indem sie vor internationalen Gerichten Klagen gegen Regierungen oder Konzerne einreichen, die durch schädliche Praktiken die Riffe gefährden.

Eine Anerkennung als Menschenrecht könnte zudem mehr internationale Gelder und Ressourcen für den Korallenschutz mobilisieren. „Staaten und internationale Organisationen müssten Investitionen in den Schutz und die Wiederherstellung von Korallenriffen priorisieren, um ihrer menschenrechtlichen Verantwortung nachzukommen“, sagt Voolstra.

Klimaschutz bedeutet auch Korallenschutz 

Da Korallenriffe stark unter den Folgen des Klimawandels leiden, würde der Klimaschutz enger mit dem Menschenrecht auf Korallenschutz verknüpft, hofft der Konstanzer Forscher: „Dies könnte zu ambitionierteren Klimazielen führen, um die Erwärmung der Ozeane zu begrenzen und Korallenriffe zu erhalten.“

Naturschutz Studie 20.00

Es geht aber auch um Transparenz und Rechenschaftspflicht. Regierungen und Unternehmen, die Maßnahmen ergreifen, die die Gesundheit der Korallenriffe bedrohen, könnten stärker zur Rechenschaft gezogen werden. Dies würde zu einer erhöhten Transparenz und möglicherweise zu restriktiveren Vorschriften für die Meeresnutzung führen.

Um Korallenschutz als Menschenrecht zu etablieren, gäbe es mehrere Möglichkeiten. Beispielsweise könnten sich Länder bei den Vereinten Nationen oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dafür einsetzen, den Schutz von Ökosystemen – einschließlich Korallenriffen – als Bestandteil des Rechts auf eine gesunde Umwelt zu verankern.

Ein pragmatischer Schritt, so Voolstra, wäre auch die Erweiterung bestehender Umweltabkommen. „Internationale Abkommen wie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) und das Pariser Abkommen zum Klimaschutz könnten explizit den Schutz von Korallenriffen als Teil der globalen Verpflichtungen verankern.“

Vor allem jedoch brauche es einen gesellschaftlichen Diskurs sowie mehr Aufklärung über die Zusammenhänge von Naturschutz und sozialer Gerechtigkeit. „Eine der größten Herausforderungen im Korallenschutz ist es, das Bewusstsein für die Bedeutung von Korallenriffen und deren Schutz zu wecken“, sagt Voolstra.