Es ist ein ungewohntes Bild, das man bei „Caren Miosga“ zu sehen bekommt. Statt Zoff mal Einigkeit bei der Ampel. Es wird vermutlich bei diesem Ausnahmeabend bleiben.

So viel Einigkeit war bei der Ampel selten. Nachdem Caren Miosga zunächst im Einzelinterview den Rücktritt von Ricarda Lang und Omid Nouripour mit selbigem besprach, eröffnete sie dann das Plenum. Die Frage des Abends „Neustart bei den Grünen – Finale für die Ampel?“ wurde weder im Zwiegespräch wirklich thematisiert, noch im gemeinsamen Talk. Und trotzdem gab es an diesem Abend sehr viel Einigkeit. Denn selten waren Vertreter der Ampelparteien so einig miteinander, gestanden sich gegenseitig zu, ja nur über die Sache aber nicht miteinander zu streiten. 

Bei „Caren Miosga“: Diskrepanz zwischen Inszenierung und Alltag

Caren Miosga und Kerstin Münstermann wiesen mehrfach auf die auffällige Diskrepanz zwischen dieser abendlichen Inszenierung und dem Verhalten in den politischen Debatten sowie in den Medien hin. Allein, die drei Herren der Runden gingen darauf kaum ein, bekräftigten eher die gute Meinung, die man voneinander habe. Die Parole dieses Talkabends schien zu sein: Nur nicht unangenehm auffallen. 

HEFT_Scholz-Ampel Aufgeben 9.20

Zu Gast bei „Caren Miosga“ waren:

Kerstin Münstermann, JournalistinOmid Nouripour, Bundesvorsitzender Bündnis 90/Die GrünenChristian Dürr, Vorsitzender FDP-BundestagsfraktionKarl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit

Es ist ja vollkommen richtig, dass die BürgerInnen den Dauerstreit in der Ampel leid sind. Und es lässt sich auch nicht wegdiskutieren, dass die Wahlergebnisse der letzten Wochen widerspiegeln, wie sehr das Vertrauen in SPD, Grüne und FDP gelitten hat. Die drei Parteien haben seit der Regierungsbildung oft dann von sich reden gemacht, wenn sie miteinander im Streit lagen. Es wurde viel in den Medien übereinander gesprochen, was dann in Talkshows aufgegriffen und weiterkommentiert werden konnte. Das mag für die Medienpräsenz wertvoll sein, es diente nur der Sache nie.

„Robert Habeck ist der Richtige“

Insofern ist der Schritt, den Ricarda Lang und Omid Nouripour nun gehen, sehr konsequent. Sie übernehmen „Verantwortung“, so Nouripour, für die Wahlergebnisse in Sachen, Thüringen und Brandenburg, aber auch für die Ergebnisse der Europawahl. Die Entscheidung dazu sei „symbiotisch“ im Laufe des Dienstags gefallen, am Mittwochvormittag haben sie sich noch mal besprochen und dann das Ergebnis auf der Pressekonferenz verkündet.  „Das Vertrauensverhältnis zu Robert Habeck bleibt komplett unangetastet“, sagte Nouripour und ist „zutiefst überzeugt, dass Robert Habeck der Richtige ist“. Es sei eine „neue Parteienlandschaft mit neuen Regeln“ und dieser Neuerung wollen sich die beiden Bundesvorsitzenden nicht entziehen. Was kommen wird, darüber denke er aktuell noch nicht nach, behauptete der Grünenpolitiker, er ließ aber wissen, dass er den Job immer wollte.

„Scholz ist ein sehr guter Bundeskanzler“

Solch ein Personalwechsel bringt natürlich auch Unruhe in die Koalitionspartner. Während Christian Dürr diesen Moment dann doch für einen Seitenhieb darauf nutzte, dass die FDP sich ja mit Christian Lindner ja längst auf den Weg zu eben jener Neuerung gemacht hätte, wollte Karl Lauterbach vor allem darüber sprechen, dass Olaf Scholz an „alle Problem“ rangehen würde. „Scholz ist ein sehr guter Bundeskanzler, er steht sehr tief im Stoff“, verteidigte der Gesundheitsminister seinen Parteikollegen. Dass das nach außen nicht so wahrgenommen wäre, sei der „Kakophonie“ geschuldet, die medial stattfinden und ausblenden würde, wie ruhig die wichtigen Themen abgearbeitet werden. „In der Nachspielzeit können wir überzeugen“, war sich Lauterbach sicher.

TV-Talkshows 9.44

Nicht die Realität in der Ampel

Dass es diese Zeit überhaupt braucht, spricht allerdings Bände. Und vertröstet die WählerInnen natürlich weiter in eine Zukunft, von der unklar ist, wie sie gestaltet sein wird. Es geht um Migrationspolitik, um Renten, um Fachkräftemangel. Alles große, wichtige Themen, die natürlich komplexe Lösungen brauchen. Nur wird an denen eben nicht, wie Lauterbach darstellte, leise gearbeitet, da wird vor allem viel Wirbel veranstaltet, um die eigene Partei ins rechte Licht zu rücken. Caren Miosga wies mit mehreren Debattenausschnitten darauf hin, dass es eine große Diskrepanz zwischen dem gab, was die drei Gäste an dem Abend darstellten und dem, wie die Diskussionen in den Medien liefen, gibt. Auch die Journalistin Kerstin Münstermann verwies darauf, dass die „Einigkeit, die hier am Tisch herrscht“ sich keinesfalls so in der alltäglichen politischen Arbeit widerfindet. Die anwesenden Männer wischten all diese Kommentare mit Hinweisen auf Debattenkultur vom Tisch.

Was an diesem Abend aber mal wieder deutlich wurde: Wenn PolitikerInnen nicht von ModeratorInnen eingefangen werden, werden aus Talkshows Sendungen für wenige. Denn die meisten Zuschauende werden nicht alle Details von Gesetzesentwürfen parat haben. Caren Miosga forderte am Abend die Beteiligten mehrfach dazu auf, ihre Aussagen zu erklären, nachvollziehbar zu machen. Hier hatte insbesondere Christian Dürr Schwierigkeiten, während Karl Lauterbach an der Stelle punkten konnte. 

Weitere Themenpunkte:

Beitragssteigerungen Kerstin Münstermann wies darauf hin, dass in den kommenden Jahren die Beiträge für Kranken- Sozial- und Rentenversicherung steigen werden. Thematisiert wurde das bisher nicht. „Das ist so, die Beiträge werden steigen müssen“, bestätigte da Omid Nouripour.Änderung der Realität: Angesprochen auf  den deutlichen Ton von Cem Özdemir in einem Gastbeitrag in der FAZ verwies Parteikollege Nouripour darauf, dass sich nicht der Ton ändert, „sondern die Realitätsbeschreibung, weil die Realität sich ändert“. Und es müsse möglich sein, auch eine Debatte zu führen, bei der die Zugewanderten, die im Krankenhaus die Intensivstation am Laufen halten, nicht mit denen in einen Topf geworfen werden, die hier straffällig werden. Fraglich ist allerdings, wer das bisher getan haben soll. 

Mit „Projekt Modernisierung läuft. Wir schaffen das“ beendete Karl Lauterbach den Talkabend. Wohl wissend, was diese Worte 2015 nach sich zogen. Die Herausforderungen sind größer geworden, der politische Wind hat sich aber auch gedreht, der Ton ist härter geworden. Dass die WählerInnen kein Interesse an der Arbeit der Ampel haben, zeigen die Wahlergebnisse. Es steht zu erwarten, dass die Profilschärfung der einzelnen Parteien in den nächsten Monaten deutlich an Gestalt zu nimmt und eine Sendung wie diese „Caren Miosga“-Ausgabe, die absolute Ausnahme war.