Seit zweieinhalb Jahren suchen die Menschen aus dem kleinen kenianischen Dorf Kinakoni gemeinsam mit stern und Welthungerhilfe nach neuen Lösungen gegen den Hunger. Und im dritten Jahr des Projekts zeigt: Viele davon bewähren sich erstaunlich gut.

Seine Karriere verlief ziemlich steil. Noch vor einem Jahr war Mohammed Ndolo ein einfacher junger Mann aus einem kleinen Dorf mitten in Kenia. Ohne weiterführende Schulbildung, ohne festen Job, er arbeitete auf dem Feld der Familie, wie es eben die meisten Kenianer auf dem Land tun. 

Heute ist er der Manager einer kleiner Agrargenossenschaft. Er beaufsichtigt die etwa fußballfeldgroße Farm des Dorfs, achtet darauf, dass die Papayas erst dann geerntet werden, wenn sie reif sind, dass die Tomaten genügend Wasser haben – oder auch: dass die Würmer, die aus den Abfällen den Kompost herstellen, auch genügend Nachschub haben. 

Mohammed Ndolo auf der Farm, die er als Manager beaufsichtigt
© Marc Goergen

Zwischen diesen beiden Welt des 24-Jährigen liegt eine Ausbildung, der er auf dem Campus einer kenianischen Agrarfirma durchlaufen hat – und der Wille eines ganzen Dorf, sich aus dem Teufelskreis von Armut und Hunger zu befreien. 

Aus dem Land – für das Land

Die etwa 5000 Einwohner von Kinakoni haben sich vor gut zweieinhalb Jahren entschieden, bei einem Experiment mitzumachen. Gemeinsam mit dem stern und der Welthungerhilfe suchen sie nach neuen Mitteln gegen den Hunger. Das Besondere dabei: Es geht weniger um Ideen, die Experten aus Deutschland oder Europa ins Land bringen, sondern um Lösungen, die von Kenianern entwickelt werden, von Wissenschaftlern etwa oder von Unternehmerinnen aus der Start-up-Community Nairobis. Und was erfolgreich ist, dass, so die Idee des Projekts, soll später auch in anderen Dörfern Anwendung finden.

Und genau so ein Beispiel könnte das Feld der Kooperative sein, auf dem nun Mohammed arbeitet. Anfangs wurde der Acker, gleich neben zwei schon zuvor fertiggestellten großen Wassertanks, vor allem als Versuchsfeld angelegt. Was wächst am besten unter den Bedingungen des Klimawandels in einer immer trockener werdenden Gegend wie Kinakoni? Welche Anbaumethoden funktionieren? 

Inzwischen sind mehrere erfolgreiche Ernten eingefahren worden. Es hat sich nicht nur gezeigt, dass Butternut-Kürbisse gut gedeihen oder dass Mais nicht mehr angebaut werden sollte, sondern das Versuchsfeld hat sich zu einer Kooperative weiterentwickelt. 30 Bewohner aus Kinakoni haben sich zusammengeschlossen. Sie haben sich in Schichten eingeteilt, um das Feld zu bewirtschaften, in einem Kiosk werden Obst und Gemüse an die Dorfbewohner verkauft. Eine solarbetriebene Mühle einer kleinen Firma aus Nairobi, etwa für Hirse, die von den Bauern gegen Gebühr benutzt werden darf, bietet der Kooperative ein zusätzliches Einkommen. Die Einnahmen werden zurückgelegt für die Instandhaltung – und sie finanzieren auch: das Gehalt von Mohammed Ndolo. 

„Wir haben eben gemerkt, dass wir jemanden brauchen, der die Arbeiten auf der Farm jeden Tag beaufsichtigt“, sagt Ndolo, während er die Furchen des Ackers abschreitet, „und für mich war das natürlich eine tolle Chance“. Ndolo hatte das Wissen aus dem Kurs bei den kenianischen Agarforschern zuvor schon auf dem Feld der heimischen Familie angewendet – nun trägt er es noch weiter ins Dorf hinein.

Kooperativen haben sich bewährt

In den vergangenen Monaten wurde das erfolgreiche Prinzip Versuchsfeld plus Kooperative in Kinakoni weiter ausgedehnt. Drei weitere Felder wurden angelegt, das Land dafür stellte die lokale kenianische Verwaltung zu Verfügung. Drei weitere Kooperativen mit jeweils 30 Mitgliedern bildeten sich. Und wieder wurde junge kenianische Forscher und Unternehmer zur Beratung mit ins Boot geholt – denn das ist das Prinzip des Kinakoni-Projekts: Wissen aus dem Land für das Land. 

Josephine Mbuvi auf einem weiteren neu angelegten Versuchsfeld in Kinakoni
© Marc Goergen

So soll auch den Stereotypen des angeblich beharrlich vor sich hin darbenden Afrika entgegengewirkt werden. Im Fall der drei weiteren Versuchsfelder ist das Social Entreprise Tegemeo der Partner. Die Trainer und Forscher der Firma sind spezialisiert auf den Anbau in Trockenregionen ohne künstliche Bewässerung – wie es sich eben in Kinakoni anbietet. Dank ihrem Input, dank Training und besserer Samen, konnten die Erträge mehr als verdoppelt werden. Demnächst könnte es dazu kommen, dass die Kooperativen in der Lage sind, sogar feste Verträge mit Tegemeo abzuschließen, die Firma könnte dann zum Beispiel die produzierte Hirse en gros abnehmen – eine erstaunliche Entwicklung für ein Dorf, dessen Bewohner vor drei Jahren kaum genug für den Eigenbedarf hatten.

Natürlich kämpft auch Kinakoni weiter mit vielen Herausforderungen. Noch immer fehlen Jobs, die Armut ist in vielen Haushalten mit den Händen zu greifen. Auch das Schulgeld ist für viele Familie eine große Herausforderung.

Doch im dritten Jahr des Projektes hat sich das Leben in vielen Teile des Dorfes weiter stark verbessert, etwa:

In der vollkommenden grundsanierten Schule erhalten die Kinder dank TechLit, einer jungen Organisation aus Nairobi, Computer- und sogar Programmierkurse. Noch vor einem Jahr war die Schule einsturzgefährdet, hatte weder Strom noch Internet.

Evans Rotich, einer der Programmiertrainer, im Computerraum der Primary School von Kinakoni
© Marc Goergen

Über das Zentrum des Dorfes spannt sich nun ein WLan-Netz. Auch dahinter stecken kenianische Entrepreneure, in diesem Fall von Kakuma Ventures. Die Firma kauft Datenpakete von den großen Handynetzbetreibern en gros , kann sie dann via W-Lan-Antennen  Dörfern günstig zur Verfügung stellen. In Kinakoni nutzen vor allem jungen Menschen das günstige Netz, für die Schule, die Universität, einige Läden haben darauf ein neues Geschäftsmodell gegründet: als Internetcafé.Der eigene Computerraum des Dorfes wurde zudem in die Berufsschule integriert – damit ist dessen Finanzierung auch für die Zukunft gesichert.Der Honig aus Kinakoni, eine Tradition des Dorfes, wird dank der Gründung einer Kooperative und der Partnerschaft mit jungen Firmen aus Nairobi demnächst auch dort in der Hauptstadt zu kaufen sein.

Zwei Mitglieder der Honig-Kooperative von Kinakoni präsentieren ihr Produkt
© Marc Goergen

Was nun ab Herbst kommt, wenn die Hauptprojektphase von Kinakoni abgeschlossen ist? Werden Dörfer in der Nähe von den Erfahrungen aus Kinakoni lernen können? Die Schule eines Nachbardorfs, soviel scheint jetzt schon klar, soll nach den Erfahrungen des Projekts ebenfalls wohl neugebaut werden, samt kleiner Versuchsfarm – und es dürfte nicht der einzige Erfolg von Kinakoni sein, der am Ende weit über das Dorf hinaus reicht.

In einem einzigartigen Projekt suchen der stern und die Welthungerhilfe gemeinsam mit den Menschen aus dem Dorf Kinakoni in Kenia nach neuen Lösungen gegen den Hunger. Hier finden Sie alle Infos. Die Arbeit vor Ort wird unter anderem unterstützt von der Deichmann Stiftung, der Wilo Foundation, der Stiftung Block und im Bereich des Schulneubaus von der Regine-Sixt-Kinderhilfe-Stiftung. Die Ernährungslage in Kinakoni ist vor allem aufgrund von Dürre und Preissteigerungen kritisch, das Projekt ist weiterhin auf Spenden angewiesen. Helfen Sie uns, den Menschen von Kinakoni beim Kampf gegen den Hunger zu helfen – bitte unterstützen Sie unsere Initiative. Jeder Euro geht vor Ort ins Projekt. Hier können Sie direkt spenden.