In Kroatien haben die Bürgerinnen und Bürger am Mittwoch in einer richtungsweisenden Parlamentswahl über ihre künftige Regierung entschieden. Rund 3,7 Millionen Wählerinnen und Wählerin waren am Mittwoch in dem EU-Land aufgerufen, mit ihrer Stimme darüber zu entscheiden, ob sie künftig weiter von dem konservativen Ministerpräsidenten Andrej Plenkovic oder seinem linkspopulistischen Amtsvorgänger Zoran Milanovic regiert werden. Bis 11.30 Uhr lag die Wahlbeteiligung laut Wahlkommission bei 24 Prozent – bei der Wahl 2020 waren es zu diesem Zeitpunkt nur 18 Prozent gewesen.
Zunächst hatte es nach einem leichten Sieg für Amtsinhaber Plenkovic ausgesehen – doch die überraschende Ankündigung des amtierenden Präsidenten Milanovic, erneut Regierungschef werden zu wollen, hatte den Wahlkampf seit März noch einmal spannend gemacht. Milanovics Amtszeit als Staatsoberhaupt dauert eigentlich noch bis Januar.
Das oberste Gericht Kroatiens urteilte zwar, dass Milanovic nur zur Wahl antreten könne, wenn er zuvor vom Präsidentenamt zurückträte. Doch Milanovic ignorierte die Entscheidung der Richter und startete den Wahlkampf. Der Präsident will nach eigenen Angaben zurücktreten, wenn sich seine Sozialdemokratische Partei (SDP) und deren Verbündete bei der Wahl eine Mehrheit für eine Regierungsbildung sichern.
Es wird nicht erwartet, dass eine der Parteien eine absolute Mehrheit in dem Parlament mit 151 Sitzen erlangen wird. Die konservative Regierungspartei HDZ lag in den letzten Umfragen mit rund 30 Prozent vorn. Die SDP kam in den Umfragen auf rund 20 Prozent, könnte aber mithilfe von Verbündeten Milanovic als Regierungschef durchsetzen. Die nationalistisch-rechte Heimatbewegung folgt demnach auf dem dritten Platz und könnte zum Königsmacher werden.
„Kroatien hatte nie zuvor eine so korrupte Regierung“, sagte der 57-jährige Milanovic in seiner letzten Rede vor der Wahl. Der Präsident verwies auf die kürzlich erfolgte Ernennung des neuen Generalstaatsanwaltes, eines Richters mit mutmaßlichen Verbindungen zu Korruptionsverdächtigen.
„Wenn man es mit Dieben und Wilden zu tun hat, die ihre Position missbrauchen, muss man die Muskeln spielen lassen und ich weiß, wie man das macht“, sagte der linkspopulistische Politiker nach seiner Stimmabgabe in Zagreb zu Reportern. Er selbst war von 2011 bis 2016 Ministerpräsident.
Tatsächlich ist die Korruption seit langem ein Problem für die HDZ. Mehrere Minister des seit 2016 regierenden Plenkovic mussten nach Korruptionsvorwürfen zurücktreten.
Der 54-jährige Plenkovic warf seinem Konkurrenten Milanovic seinerseits vor, gegen die Verfassung zu verstoßen und nannte ihn einen „Feigling“, weil er nicht von seinem Amt zurücktrete. Auch griff Plenkovic seinen Widersacher für dessen Kritik an der EU-Unterstützung für die Ukraine gegen Russlands Einmarsch an.
„Milanovic drängt Kroatien und das kroatische Volk in die russische Welt“, sagte Plenkovic bei einer Veranstaltung. Milanovic hat seine Haltung damit begründet, dass er die kroatischen Interessen schütze und verhindern wolle, dass das Land „in einen Krieg hineingezogen“ werde.
Regierungschef Plenkovic berief sich auf Errungenschaften seiner Amtszeit, in der das 3,8-Millionen-Einwohner-Land den Euro einführte und dem Schengenraum beitrat. Aber mit einem durchschnittlichen Monatsgehalt von 1240 Euro ist Kroatien eines der ärmsten EU-Mitgliedsländer.
„Angesichts des veränderten geopolitschen Kontextes – global, europäisch, regional – braucht Kroatien seriöse, verantwortungsbewusste Menschen (…), um vor allen möglichen Krisen geschützt zu werden“, sagte Plenkovic, nachdem er in der Hauptstadt Zagreb gewählt hatte.
Die HDZ dominiert weitgehend die kroatische Politik, seit sich Zagreb Anfang der 90er Jahre von Jugoslawien lossagte. „Die HDZ war ein bisschen zu lange an der Macht. Alles, was zu lange andauert, ist nicht gut“, sagte der 67-jährige Rentner Damir Modric der Nachrichtenagentur AFP.
Der Jurastudent Tvrtko Bulaja hingegen zeigte sich überzeugt, dass Kroatien mit einer HDZ-geführten Regierung „seinen Weg der Sicherheit, der Stabilität und des Wohlstands fortsetzen“ werde.