Mario Voigt sieht sich in der Konfrontation mit dem AfD-Anführer gestärkt – und bereits im CDU-Bundespräsidium. Als Vizechef der Programmkommission verteidigt er den Begriff der Leitkultur und die Abgrenzung zu Teilen des Islam. 

Herr Voigt, im Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms stand: „Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland“. Jetzt soll es heißen: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“ Was ist an dieser doppelten Verneinung besser?
Ganz einfach: Wir arbeiten deutlicher als bisher heraus, dass sich die Abgrenzung ausdrücklich nicht gegen Muslime richtet, sondern vielmehr gegen einen politischen, aggressiven Islam. Also gegen Islamismus. Der Satz verdeutlicht, dass wir als CDU nicht akzeptieren, wenn sich islamistisch geprägte Regierungen unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit in die inneren Angelegenheiten Deutschlands einmischen, sei es über Moscheevereine oder obskure Verbände. 

Also gehört nur der Islam zu Deutschland, den die CDU für richtig hält?
Ein Islam, der die Frauenrechte nicht achtet, der die sexuelle Orientierung von Menschen nicht toleriert, der schlicht das Grundgesetz nicht respektiert: Ja, ein solcher Islam gehört nicht zu Deutschland. Die Scharia gehört nicht zu Deutschland. Das heißt aber eben nicht, dass damit die islamische Religion oder eine Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime unter Generalverdacht gestellt wird. Im Gegenteil. Die Abgrenzung gilt einer fanatischen Ideologie, die unsere freiheitliche Grundordnung bedroht. 

Aber es geht schon um mehr. Das zeigt auch die Wiederentdeckung des längst überkommen geglaubten Leitkultur-Begriffs. Was bedeutet er für Sie?
Leitkultur ist die Hausordnung unseres Landes. Sie umfasst neben dem Grundgesetz unsere deutsche Sprache, die deutsche Kultur sowie das Bewusstsein für die deutsche Geschichte und die Verantwortung, die daraus erwächst. Die Leitkultur schließt damit klar Rassismus und Antisemitismus aus – und die Solidarität gegenüber Israel ein. Zu all dem haben sich Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben wollen, klar zu bekennen. Der Staat muss Integration fördern – aber auch einfordern. Am Ende spricht der Begriff Leitkultur eine Einladung zum Leben in Freiheit aus.

Zur Person Voigt

Meint Leitkultur nicht doch eher: Deutschland, Deutschland über alles?
Nein. Wir bieten einen Wertekanon unseres Gemeinwesens in der kulturellen Moderne. Es geht um das, was uns als Nation zusammenhält, um Freiheit und Demokratie, um Sicherheit und Vertrauen. Und ja, dazu gehört auch ein positiver, patriotischer Blick auf Deutschland, ohne damit die geschichtliche Verantwortung, von der ich eben sprach, im Geringsten zu schmälern. Der Kitt unserer Gesellschaft besteht nicht allein aus abstraktem Verfassungspatriotismus, sondern auch aus einer Volkskultur aus Bräuchen, Traditionen und Erzählungen.

Die AfD spricht vom sogenannten solidarischen Patriotismus, der aber eher Züge eines nationalen Sozialismus trägt: Wollen Sie mit dem Leitkultur-Begriff AfD-Wähler zurückgewinnen?
Diese These ist Unfug. Die CDU stand schon immer für die Werte, die der Begriff Leitkultur umfasst, angefangen von Konrad Adenauer über Helmut Kohl bis hin zu Friedrich Merz. Stets war die Leitkultur der Kern meiner Partei – und das Gegenteil von dem, für was die AfD steht. 

Sie haben mit dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke im Fernsehen gestritten. Wie fühlen Sie sich im Nachhinein damit?
Gut. Es war die richtige Entscheidung, Höcke inhaltlich zu stellen. Die Debatte hat sehr deutlich die Unterschiede zwischen wertkonservativer Politik und völkischem Rechtsextremismus aufgezeigt.

11: Heftiger Schlagabtausch im Studio Voigt gegen Höcke – 56681c5f7ae85ebd

Nun ja. Gerade zu Beginn des Gesprächs konnte Höcke seine extremen Parolen ausführlich darstellen, ohne dass ihm ernsthaft widersprochen wurde. 
Es hat einen gewissen Anlauf gebraucht. Aber nach dieser Anfangsphase kam Höcke schnell in die Defensive. Dass der Mann, der Millionen Menschen aus Deutschland verjagen will, den zentralen AfD-Kampfbegriff der Remigration zu relativieren versuchte: Das war ein Offenbarungseid. Höcke hatte nicht den Mumm, zu seiner extremistischen Ideologie zu stehen. Allein dafür hat sich die Debatte gelohnt. 

Eine Umfrage im Auftrag des Focus besagt, dass die Umfrage AfD-Wähler eher bestärkt hat. Enttäuscht?
Im Gegenteil. Dass 150-prozentige AfD-Anhänger angesichts der Kritik an der offenkundigen Wankelmütigkeit von Herrn Höcke ihre Reihen schließen, ist doch nachvollziehbar. Viele Bürger haben Höcke „entzaubert“ gesehen, wie es einer Ihrer Kollegen formulierte. Das deckt sich mit den Gesprächen, die ich seit der TV-Debatte mit vielen Menschen in Thüringen hatte. Hier gab es eine große Unterstützung und Dankbarkeit. Auch die bundesweiten Reaktionen waren überwiegend positiv.

Der frühere Thüringer CDU-Landeschef Mike Mohring (rechts), der aktuell der einzige gewählte Vertreter des Landesverbandes im Bundesvorstand ist, und sein Amtsnachfolger Mario Voigt.
© Michael Reichel

Ihr Ziel, bekannter zu werden, haben Sie tatsächlich erreicht. Auf dem CDU-Parteitag Anfang Mai, auf dem das Grundsatzprogramm beschlossen wird, kandidieren Sie für das Bundespräsidium. Wie optimistisch sind Sie, dass Sie gewählt werden?
Ich freue mich über die einstimmige Nominierung durch meinen Landesverband und dass mich die anderen ostdeutschen Landesverbände unterstützen. Und ich habe viele positive Signale darüber hinaus. Ich würde mich freuen, wenn ich die ostdeutsche Perspektive in der Spitze der Partei verstärken könnte, vor allem mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Alles andere entscheiden die Delegierten.

Mike Mohring, ihr Amtsvorgänger an der Spitze von Landespartei und Landtagsfraktion, hat angekündigt, nochmals für den Bundesvorstand zu kandidieren. Was halten Sie davon?
Der Landesvorstand hat ihm nahezu einstimmig davon abgeraten. Wir sind ein freies Land und die CDU ist eine demokratische Partei. Wer kandidieren will, soll kandidieren.