Seit 2022 spielt Katharina Wackernagel die Hauptrolle in der ARD-Serie „Mord mit Aussicht“. Nun startet die neue Staffel. Im stern-Interview spricht die Schauspielerin über den schwierigen Start als Nachfolgerin von Caroline Peters und verrät, warum ein Leben auf dem Land für sie ausgeschlossen ist.
Warum gibt es schrägen Humor wie in der ARD-Serie „Mord mit Aussicht“ in deutschen Produktionen so selten zu sehen?
Es ist sicher richtig, dass wir in Sachen Humor nicht mutig und konsequent genug sind – und bösen britischen Humor werden wir hierzulande wohl niemals hinbekommen. Zumal die Sorge, dass die Gags missverstanden werden könnten, im Zeitalter der Wokeness größer ist als jemals zuvor. Grundsätzlich finde ich allerdings, dass wir Deutschen oft mehr Humor haben, als uns zugestanden wird. Aber was Skurrilität oder genreübergreifende Comedy angeht, ist immer noch viel Luft nach oben.
„Mord mit Aussicht“ spielt in der Provinz. Nach wie vielen Tagen Landleben bekommen Sie als bekennende Stadtpflanze einen Koller?
Nach nur einem Tag! Spätestens dann, wenn ich am Abend Sushi essen gehen wollen würde, wäre ich endgenervt. Ich hätte nämlich keine Lust, dafür extra mit dem Auto in den nächsten größeren Ort fahren zu müssen. Und da ich auch noch ein bekennender Automuffel bin, müsste ich mit dem Rad fahren. Und dann nachts über eine dunkle Landstraße zurück? Ich bin mit Leib und Seele Stadtmensch, brauche abends Leben und Trubel. Ich muss natürlich nicht unbedingt jeden Abend in Kneipen oder Bars unterwegs sein, aber ich liebe dieses Lebensgefühl, dass ich alles zu jeder Zeit könnte, wenn ich es denn nur möchte.
Haben Sie gar keine Lust auf Ruhe und Entschleunigung?
Manchmal schon, aber dann zieht es mich nach Norwegen, wo ich bereits als Kind öfter mit meiner Familie war. Oder in die Bretagne: Dort bin ich gerne mit Freunden oder meiner Familie, dann kochen wir zusammen, essen draußen und gehen spätabends noch am menschenleeren Strand spazieren. Das liebe und genieße ich sehr. Aber eben nur für eine klar begrenzte Urlaubszeit. An einsamen Orten auch im Alltag zu leben, kann ich mir nicht vorstellen. Das wäre mir viel zu öde! Ich möchte auch nicht erst mit der S-Bahn 45 Minuten in die Stadt fahren müssen. Ich möchte zur Tür raus – und mich gleich ins pralle Leben stürzen können.
Zum Start der Neuauflage von „Mord mit Aussicht“ gab es auf Social Media für Sie und das Team Gegenwind.
Es war das erste Mal, dass ich zum Beispiel auf Instagram sehr persönlich und verletzend angegangen worden bin. Wir hatten nach Verkündung des Neustarts wirklich mit einer Welle der Empörung zu tun und über die Heftigkeit der Kommentare war ich ziemlich schockiert. Das war krass und eine völlig neue Erfahrung für mich. Schade fand ich auch, dass die Hater jeglichen Dialog verweigert haben. Zum Glück gab es ein Happy End.
Tatsächlich?
Als die ersten Folgen ausgestrahlt wurden, hat sich das Blatt gewendet. Zum einen, weil die Ausstrahlung sehr erfolgreich lief und einige zugaben, dass ihre Bedenken unbegründet waren. Sie merkten, dass es nie mein Ziel war, den Platz von Caroline Peters einzunehmen, sondern dass wir eine ganz neue Geschichte erzählen.
Die Darsteller Sebastian Schwarz, Katharina Wackernagel (M.) und Eva Bühnen in der Reihe „Mord mit Aussicht“. Die ersten sieben Folgen der neuen Staffel laufen ab dem 16. April 2024 immer dienstags um 20.15 Uhr in der ARD. Sechs weitere Episoden folgen im Herbst 2024.
© Frank Dicks
Ihr „Mord mit Aussicht“-Charakter, Kommissarin Marie Gabler, wird am Anfang der ersten Folge betrogen und reagiert auf eine sehr heißblütige Art. Wie würden Sie persönlich reagieren?
Auch ich kann zuweilen eine sehr impulsive Frau sein. Aber mich im Affekt sofort auf jemanden stürzen? Das würde mir nicht passieren. Ich muss die Dinge immer erst einmal in Ruhe überdenken, bevor ich zu einem Entschluss komme. Es kann zwar sehr befreiend sein, Wut und Enttäuschung ungefiltert zum Ausdruck zu bringen – andererseits aber auch Dinge für immer zerstören.
Wie wichtig ist Ihnen in einer Beziehung die Treue?
Da ich seit fünf Jahren Single und mit diesem Zustand sehr glücklich bin, ist Treue für mich derzeit kein Thema. Und für mich persönlich müsste Treue auch nicht der Grundpfeiler einer Beziehung sein. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind da für mich viel wichtiger. Zudem bin ich selbst einfach zu offen und verführbar; habe zu große Lust darauf, neue Leute kennenzulernen, als dass ich es ziemlich verlogen finden würde zu sagen, dass ich frei und offen durch die Gegend tanzen möchte – mein Partner das aber nicht dürfte.
Ihre Mutter hat für eine längere Zeit mit zwei Männern gleichzeitig eine Beziehung geführt. Wäre so ein Partnerschaftsmodell für Sie auch denkbar?
Dieses Beziehungsmodell ist auf jeden Fall spannend und besonders. Meine Mutter ist auch eine ganz besondere Frau. Aber für meine Brüder und mich kam das nie infrage. Mir persönlich ist es ja bereits mit einem Mann manchmal zu anstrengend.
Stimmt es, dass Ihre Mutter zunächst gar nicht glücklich war, dass Sie Schauspielerin werden wollten?
Da sie ebenfalls Schauspielerin ist, kennt sie auch die schwierigen Prozesse, die zu diesem Beruf gehören. Du hast nur dich! Dein Handwerk ist dein Gesicht, deine Stimme, dein Körper – und danach wirst du beurteilt. Das kann dich an emotionale Grenzen bringen.
Und davor wollte Ihre Mutter Sie beschützen?
Genau! Denn sie wusste: Wenn du hinausgehst in diese Welt, dann wirst du damit konfrontiert, dass du dich nie hinter dem, was du beruflich tust, verstecken kannst. Du legst immer deine Seele auf den Tisch und das kann manchmal sehr schmerzhaft sein. Sie hat aber nie gesagt, dass sie nicht möchte, dass ich diesen Weg einschlage. Meine Eltern hätten es sich sehr gewünscht, dass ich zur Schauspielschule gehe – das kam anders. Aber sie haben mich trotzdem bei jedem meiner Schritte unterstützt.
Seit wann wissen Sie, was Sie für ein Leben führen möchten und was Sie sich von Ihrem Leben wünschen?
Ganz genau kann ich das bis heute immer noch nicht sagen. Das ist ein langer Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Ein ganz wichtiger Schritt in meinem Leben war sicher vor ein paar Jahren die Erkenntnis, dass ich keine Kinder möchte. Anfangs habe ich mir zu dieser Frage gar keine Gedanken gemacht und mich voll auf meine Karriere konzentriert. Dann kam das Thema aber immer wieder auf. Allerdings viel mehr von außen als dass es von mir selbst kam.
Inwiefern?
Vor allem Journalistinnen fragten mich immer wieder: Und wann ist es bei Ihnen mit Kindern soweit? So langsam tickt doch auch bei Ihnen die biologische Uhr! Das war zuweilen einfach nur übergriffig. Ich bin zwar eine Person, die in der Öffentlichkeit steht, aber wenn ich das Thema Kinder in Interviews nicht von selbst anschneide, dann finde ich es schwierig, wenn man mich immer wieder danach fragt.
Die wiederholten Fragen haben Sie in gewisser Weise aber auch getriggert?
Ja, zumal das Thema auch in meiner damaligen Beziehung eine Rolle spielte. Mein damaliger Freund hätte gerne ein Kind gehabt. Auch deshalb musste ich irgendwann diese Entscheidung treffen. Das war für mich eine traurige und herausfordernde Zeit, weil sie auch die Trennung von dem Freund nach sich zog.
Wie sehr nervt es Sie, dass uns von Teilen der Gesellschaft weiterhin suggeriert wird, dass unser Leben nicht vollkommen ist, wenn wir nicht irgendwann Nachwuchs bekommen?
Ich finde es ziemlich absurd, dass das tatsächlich auch heute immer noch so ist. Zumal sich die Gesellschaft ja ernsthaft die Frage stellen muss, wie lange unsere Welt noch in der Form existieren wird, wie sie sich gerade darstellt und wie lange wir auch hier in Deutschland noch so privilegiert leben können. Und Menschen haben wir durch die Überbevölkerung ja ohnehin schon mehr als genug.