Sollte der Schwangerschaftsabbruch in Deutschland anders geregelt werden? Die Regierung zeigt sich zurückhaltend – trotz deutlicher Empfehlungen von Expertinnen. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen erhöht nun den Druck. 

Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Ulle Schauws, fordert eine rasche rechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs. „Es wäre wichtig, dass wir die verbleibende Zeit in dieser Legislaturperiode nutzen, um Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland neu zu regeln“, sagte die Grünen-Politikerin dem stern. „Die Kommission hat mit ihrem Bericht deutlich gemacht, dass Handlungsbedarf besteht und die aktuelle Regelung nicht mehr zeitgemäß ist.“

Schauws fordert, Schwangerschaftsabbrüche vor allem in der Frühphase einer Schwangerschaft zu entkriminalisieren. „Dies ist auch wichtig hinsichtlich der Versorgungslage von ungewollt Schwangeren, die sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert hat und sich noch weiter verschlechtern wird, wenn wir dem nicht entgegensteuern“, so die Abgeordnete. 

„Denn immer mehr Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen, gehen zeitnah in den Ruhestand und Schwangerschaftsabbrüche sind kein Bestandteil der medizinischen Ausbildung.“ Ungewollt Schwangere bräuchten „unsere Unterstützung und es ist an der Zeit, ihnen die Hürden aus dem Weg zu räumen, die sich durch die Regelung im Strafgesetzbuch ergeben“.

15: Regierung will Empfehlungen zu Reform des Abtreibungsrechts sorgfältig prüfen – 27f89121d92bf660

Am Montag hat eine von der Ampelregierung eingesetzte Kommission, die eine rechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs prüfen sollte, ihre Ergebnisse vorgestellt. Den Expertinnen zufolge sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mindestens in der Frühphase einer Schwangerschaft legalisieren, um so die Rechte von möglicherweise ungewollt Schwangeren besser als bislang zu berücksichtigen. 

Auch für die Wochen danach sehen sie einen Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber. Bislang ist der Schwangerschaftsabbruch im Paragraf 218 des Strafgesetzbuches geregelt, der den Eingriff grundsätzlich – mit wenigen Ausnahmen – verbietet. Frauen werden aber nicht dafür bestraft, wenn der Eingriff innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen erfolgt und sie sich zuvor haben beraten lassen.

Justizminister Marco Buschmann reagierte zurückhaltend

Allerdings ist keine rasche Neuregelung zu erwarten. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sprach am Montag von einem sehr sensiblen Thema, das stark in persönliche Bereiche gehe. Es gelte, unterschiedliche Güter gegeneinander abzuwägen. „Und wir wollen eine Debatte führen, die letztlich uns weiterbringt in dieser Frage, und das ist nichts, was man unter Zeitdruck und ‚jetzt machen wir das ganz schnell‘ führen kann. Das wäre wirklich der falsche Weg.“

Der Expertenbericht solle jetzt Grundlage sein für eine Debatte, die Politik und Gesellschaft miteinander führten, sagte Hoffmann. Man könne eine längere gesellschaftliche Debatte erwarten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei daran gelegen, dass diese Diskussion in ruhiger und sensibler Weise geführt werde. Das sei verbunden mit der Hoffnung, dass in Deutschland eine Polarisierung beim Thema Schwangerschaftsabbruch vermieden werden könne.

Schwangerschaftsabbruch Ampel 18:01

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat zurückhaltend auf die Empfehlungen reagiert. „Inwieweit es möglich wäre, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln, ist eine äußert anspruchsvolle rechtliche, aber vor allem auch ethisch äußerst sensible und bedeutsame Frage“, sagte er nach der Übergabe des Berichts der Kommission an die Bundesregierung. 

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprachen von einer schwierigen bevorstehenden Debatte und riefen dazu auf, sachlich zu bleiben. Das Thema habe das Potenzial, Gesellschaft zu spalten, warnte Lauterbach. Paus bezeichnete die Empfehlungen als „gute Grundlage für den nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs“.