Wann darf ein Wolf – ein in der EU streng geschütztes Tier – abgeschossen werden? Die Frage spaltet seit Jahren Landwirte, Politik und Tierschützer. Letztere verschieben nun ihre Schmerzgrenze.

In der emotional aufgeladenen Debatte um den Umgang mit Wölfen in Bayern rückt der Bund Naturschutz von seiner kategorischen Ablehnung für jegliche Abschüsse ab. In einem neuen Positionspapier, welches am Dienstag in München vorgestellt werden soll, verschiebt der Verband seine Schmerzgrenze und stimmt unter bestimmten Voraussetzungen einem leichteren Abschuss im Bereich der Almen und Alpen zu.

„Dies bedeutet, dass wir unsere bisherige Position ein Stück weit öffnen. Klar ist aber auch: Am generellen Schutzstatus des Wolfes wird dabei nicht gerüttelt“, sagte der Vorsitzende des Verbandes, Richard Mergner, der Deutschen Presse-Agentur in München. „Auch unsere Klage gegen die Wolfsverordnung der Staatsregierung bleibt davon unberührt.“

Das neue Papier solle die Diskussion versachlichen und berücksichtige insbesondere das Gefährdungspotenzial durch den Wolf für unterschiedliche Weidetierarten unterschiedlichen Alters, teilte der Bund Naturschutz (BN) weiter mit. Dabei berücksichtige der BN Erfahrungen aus anderen Alpenländern bezüglich Wolfsrissen und beziehe in die Bewertung von Wolfsabschüssen nach Weidetierrissen und der Zumutbarkeit von Herdenschutzmaßnahmen auch die Struktur der Almbewirtschaftung mit ein. „Immer wieder gibt es Irrtümer und Kontroversen zum Abschuss der geschützten Tiere und zur Zumutbarkeit von Herdenschutz auf den Almen und Alpen.“

Auch bei den Ausgleichszahlungen für gerissene Tiere sind laut BN-Papier Anpassungen vorgesehen. Diese sollen bei Rissen von Rindern gezahlt werden, unabhängig davon, ob es einen Herdenschutz gab oder nicht.

Über den Umgang mit den bisher streng geschützten Wölfen wird auch in Bayern seit Jahren heftig gestritten. Kritiker wie die Staatsregierung und Teile der Bauernschaft sind für eine schnelle Entnahme, also den Abschuss, von allen Tieren, auch wenn diese bisher nachweislich keine Nutztiere gerissen haben und auch wenn sie in der Nähe von Städten oder Dörfern nicht durch fehlende Scheu auffielen. Ihnen gegenüber stehen Umwelt- und Tierschützer, die darauf verweisen, dass der Erhaltungszustand der Art noch nicht überall gesichert ist.

In Bayern wurden inzwischen laut dem Monitoring-Bericht für das Jahr 2022/2023 zwei Rudel, drei Paare und ein einzelner Wolf mit Heimat im Freistaat nachgewiesen. Die Zahl der Regionen im Freistaat mit standorttreuen Wölfen ist auf elf im Jahr 2023 geklettert – verteilt von der Rhön bis in die Allgäuer Alpen.

Vor allem für Landwirte wird das immer wieder zum Problem – denn auch die Zahl der Tiere, die von Wölfen getötet oder verletzt wurden, ist in Bayern in den vergangenen Jahren gestiegen. 77 waren es im Jahr 2022. Zwar gibt es Entschädigungen und Hilfen für den Herdenschutz – doch der Weg dahin ist nicht immer leicht. Denn nicht jeder Experte darf in Bayern offiziell entscheiden, ob tatsächlich ein Wolf ein Tier getötet hat.