Auf 26.500 Quadratkilometern plant die saudi-arabische Regierung das Siedlungsprojekt Neom. Von der Bandstadt „The Line“ über die Luxus-Insel Sindalah bis hin zur Bergwelt Trojena – ein Überblick, was es dort alles geben soll.
Der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman will sich zu Lebzeiten ein Denkmal setzen. Das Prestigeprojekt Neom soll sein Land auf eine Zukunft vorbereiten, in der das Öl nicht mehr als einzige große Einnahmequellen für den Wohlstand der Saudis sorgt. „Neom“ steht für „Neue Zukunft“ und wird als eine Mischung aus dem griechischen Wort „neo“ („neu“) und dem ersten Buchstaben des arabischen Wortes „Mostaqbal“ („Zukunft“) geformt.
Für das Projekt ist das Land bereit, eine unvorstellbare Summe in die Hand zu nehmen: Schätzungen zufolge sollen die geplanten Ausgaben bei bis zu 1,5 Billionen US-Dollar liegen – und einen nie dagewesenen Kraftakt für die beteiligten Bauunternehmer bedeuten. Denn die Projekte sind vielseitig und entstehen quasi aus dem Nichts.
Neun Millionen Menschen in der Wüste
Das wohl aufwändigste Projekt ist dabei die Bandstadt „The Line“, die eines Tages auf einer Länge von 170 Kilometern neun Millionen Menschen eine Heimat bieten soll. Zuletzt kamen die Pläne ein wenig ins Stocken: Eigentlich hatte die Regierung mit 1,5 Millionen Einwohnern bis 2030 geplant, nun werden es wohl erst einmal „nur“ 300.000 Menschen. Das liegt vor allem daran, dass die Stadt in den kommenden sechs Jahren nicht lang genug wird und man wohl erst 2,4 der geplanten 170 Kilometer fertigstellen kann.
Der enge Zeitplan bereitet offenbar schon heute Schwierigkeiten. Viele Experten betrachten das Projekt denn auch kritisch. Dabei geht es um Menschenrechte und den Umgang mit Menschen, die in den Gebieten leben, in denen Teile von Neom entstehen sollen. So sehen die Pläne für Neom die Umsiedlung von Beduinen vor, die sich dort niedergelassen haben. Im Zusammenhang mit den Räumungen kam es laut saudischen Menschenrechtsorganisationen zu Verhaftungen und sogar Tötungen. Ein bekanntes Beispiel ist der Aktivist Abdulrahim al-Howeiti: Er warf der Regierung vor, dass die Einheimischen weichen müssten, um Millionen reichen Ausländern ein Luxusleben zu ermöglichen. Al-Howeiti wurde nach einem Protest von Regierungskräften getötet.
Auch der Mord am saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi hatte Folgen für Neom – die Architekten Norman Foster und Rem Koolhaas beendeten daraufhin ihre Arbeit an der Bandstadt „The Line“. Immer wieder gibt es zudem Berichte, dass die Arbeit an den Projekten unter teils erniedrigenden Bedingungen stattfindet. So heißt es etwa in einem Bericht des „Wall Street Journal“, dass ein Geschäftsführer des Neom-Projekts die Arbeiter systematisch eingeschüchtert habe.
Was die Folgen für die Natur betrifft, ist bisher nicht abzusehen, was Projekte von dieser Größe anrichten könnten. Doch bei „The Line“ besteht die Sorge, dass sich die verspiegelte Fassade der Stadt verheerend auf Vogelwanderungen auswirken könnte. Und es laufen noch viel mehr Bauarbeiten: So entsteht mit Oxagon eine riesige Industriestadt, die für die Versorgung des Landes und der geplanten Projekte gedacht ist.
Luxus-Tourismus in allen Formen
Das große Geld will Saudi-Arabien mit gehobenem bis ultra-luxuriösem Tourismus verdienen. Dafür plant das Land zahlreiche neue Resorts und Ferienorte. Darunter die Ferieninsel Sindalah im Roten Meer oder das Ski-Resort Trojena im Norden des Landes. Dort sollen 2029 auch die asiatischen Winterspiele stattfinden. Im Golf von Akaba, der für die Projekte wichtigsten Bucht, sollen zahlreiche Rückzugsorte für Touristen entstehen, wie das gigantische Hotel Epicon oder das Golfresort Gidori.
Die Projekte im Golf haben eines gemeinsam – sie alle zielen auf Urlaub ab, bei dem es den Gästen an nichts mangeln soll. Überall sind daher Restaurants, Einkaufsmeilen und riesige Unterkünfte geplant. Wo möglich, verbindet Saudi-Arabien die Resorts mit eigenen Häfen, in denen genug Platz für die Yachten der Gäste ist.
Passend zu der internationalen Ausrichtung kündigte das Land an, dass in „The Line“ ein eigenes Rechtssystem herrschen solle, in dem die strengen, an der Scharia orientierten Gesetze nicht gelten sollen. Damit ist das Land nicht alleine: Auf den Inseln der Malediven etwa ist ebenfalls vieles erlaubt, was den Bewohnern der Hauptstadt Malé untersagt ist. „The Line“ ist wohl das langfristigste Projekt im Neom-Katalog. Einzelne Bauwerke sollen bereits in wenigen Jahren eröffnen, mit einer Fertigstellung der Bandstadt rechnet Saudi-Arabien derzeit 2045.
Einen Überblick, woran im Rahmen von Neom aktuell gearbeitet wird, gibt die Galerie.