„Back to Black“ ist eine exzellente Filmbiografie über Amy Winehouse. Sie erzählt die Geschichte einer der besten Soul- und Jazzsängerinnen ihrer Zeit – und einer fatalen Liebe. 

Nach etwa 40 Minuten kommt jene Szene, die dem Leben von Amy Winehouse die entscheidende Richtung in den Abgrund gibt. Sie ist so dicht und intensiv, dass man das Gefühl hat, die Frau, die da oben auf der Leinwand in einer Bar sitzt, steigt gleich herunter und setzt sich neben einen, um ihre wahrscheinlich 37. Zigarette an diesem Tag zu Ende zu rauchen. Sie bestellt sich einen Drink, und zusammen schaut man sich nun diesen „bloke“ an, wie die Engländer die primitive Ausgabe eines Mannes nennen, die da gerade durch die Tür gekommen ist und abcheckt, was es hier zu pflücken gibt. Bier oder Frau oder beides.

London, Stadtteil Camden, 2005, im damaligen Musik-Pub „The Good Mixer“, höhlenartiges Licht, verqualmt, Patina, Musicbox an der Wand, Billardtische. Ein Blick zur Frau im Kinosessel und die Warnung geflüstert, dass der Typ Blake heißt, und Finger weg, das geht schief, man weiß es schon. Aber die Frau reagiert mit scharfem Blick aus schmalen Augen und biestert zurück, dass sie das wohl selbst entscheiden könne. Sie steht auf, steigt wieder hoch in die Bar dieses Films „Back to Black“ und lächelt diesen Blake an.

Amy Winehouse und Blake Fielder-Civil. Eine der besten Soul- und Jazzsängerinnen ihrer Zeit und ein Taugenichts, der beruflich irgendwas mit Video macht und drogensüchtig ist. Das konnte und sollte nicht gut gehen. Zum Zeitpunkt der beschriebenen Szene hat Amy Winehouse, diese anmutige und selbstbewusste Frau mit dieser sagenhaften Soulstimme und musikalischem Esprit bis in den kleinen Finger nur noch sechs Lebensjahre vor sich.

Die britische Schauspielerin Marisa Abela brilliert als Amy Winehouse. Sie ist in dem Alter, in dem die echte Sängerin starb: 27
© Studiocanal / Dean Rogers

Es ist eine Art tödlicher Unfall, den man in Zeitlupe verfolgt. Sehr gründlich und sehr detailliert kann man den Crash und den Weg dorthin so sezieren, dass auch die Rettungsversuche, die es in Amy Winehouses Leben gab, sichtbar werden.

Sie versuchte sich zu trennen, versuchte einen Entzug, und sie hatte einen Vater, der sie beschützen wollte, alles war da. Doch sie schaffte es nicht, diesen Blake aus ihrem Leben zu werfen, und so endete es 2011 mit 27 Jahren, einsam in ihrer Wohnung mit mehr als vier Promille Alkohol im Blut.

Amy Winehouse hatte eine Stimme wie keine zweite

Was „Back to Black“ sehenswert macht, ist, dass hier nicht die simple Geschichte eines großartigen Musiktalents erzählt wird, das zufällig an einen Idioten geriet, der es mit in den Abgrund riss. Der Film zeigt vielmehr, dass das Leben und das Schicksal nie ganz einfach sind und umständliche Wege gehen. Wir folgen einer schon in jungen Jahren sehr komplexen Frau. Der Tochter aus einer musikalischen jüdischen Familie mit geschiedenen Eltern, die sich dank ihres jazzbegeisterten Vaters mit 17, 18 Jahren im ausklingenden Brit-Pop-Boom mit alter Musik von Judy Garland und Ella Fitzgerald in ihrem Zimmer vergrub. Das, was sie singen wollte, sollte nicht nur aus ihrem Mund kommen, sondern von viel weiter unten.

Amy Winehouse hatte in sich einen Zugang gefunden, wie ihn Künstlerinnen in der Musik selten finden. Beinahe so, als ob nicht diese junge Frau den Soul, den Rhythmus und das Gefühl für jede einzelne Note gesucht und gefunden hätte, sondern umgekehrt, dass nämlich diese Musik mit ihrer Tiefe und Bedingungslosigkeit sich diese Amy Winehouse als Körperinstrument auserwählt hatte.

Marisa Abela als Amy Winehouse in „Back to Black“

Das klingt vielleicht abenteuerlich, aber wer sich an die Winehouse-Jahre erinnert, hat noch diese Bilder im Kopf. Die eines Mädchens, das sich in eine Frau verwandelte, sich fast monatlich neue Tattoos stechen ließ, die Haare zu immer verwegeneren 60er-Jahre-Beehive-Frisuren auftürmte, sich mit dicken, schwarzen Lidstrichen maskierte. Die Geschichte einer Frau, die mit zunehmender Berühmtheit immer trunkener und unberechenbarer wurde. Eines musikalischen Wesens, das im wahren Leben auch Frau sein wollte, lieben wollte, glücklich sein wollte und bei jedem Versuch, das miteinander zu verbinden, an sich selbst scheiterte. Und sich stattdessen zwischen Drogen und Alkohol einrichtete, so, als ginge es nicht anders. „They tried to make me go to rehab, but I said no, no, no“, sang sie da trotzig, „sie versuchten, mich in den Entzug zu stecken, aber ich sagte Nein, Nein, Nein“. Ein Song, der zu einem ihrer größten Hits wurde.

Die Tragödie der Amy Winehouse wurde nach ihrem Tod oft erzählt. Ihr Vater Mitch schrieb ein Buch, es gab einige Dokumentationen, etwa „Amy“ aus dem Jahr 2015. „Back to Black“ nun ist eine fiktionalisierte Biografie von der Regisseurin und Künstlerin Sam Taylor-Johnson, die sich schon 2009 in „Nowhere Boy“ mit John Lennons Beziehung zu seiner strengen Mutter auseinandersetzte. Bemerkenswert ist die Besetzung. Ohne Marisa Abela als Amy, ohne Jack O’Connell als Blake und Eddie Marsan als Papa Mitch wäre „Back to Black“ wohl nur ein ganz ordentlicher Film geworden.

Ein Leben im Rausch

Mit diesem Ensemble aber, das die Rollen nicht nur spielt, sondern sie ausfüllt, ist so etwas wie die spürbare Rückholung jener Zeit gelungen, in der man den Qualm der Zigaretten und den schnapsigen Atem in zerwühlten Betten am Morgen riechen kann. Oder Amys Zerfall beobachten, wenn aus ihrem Haarturm irgendwann eine Ruine wird, die Tattoos erst Liebesbeweise sind, später aber nur noch Bilder ihrer Verzweiflung und ihres Schmerzes.

Winehouse und Blake bei den MTV Music Awards 2007
© Newscom World

Nur eins gelingt selbst mit bester Kameraarbeit und Regie nicht: Drogensucht lässt sich in Bilder übersetzen, aber nicht in nachvollziehbare Gefühle. Man kann die Kokslinien, die Wodkaflaschen, die Heroinspritzen und die morgendlichen Schlucke aus der Schnapspulle zeigen. Aber nicht die Erleichterung und Erlösung nach der Dosis spüren. Jedenfalls nicht, wenn man es selbst nicht kennt.

Hoffnung kommt in dieser Talfahrt nur auf, wenn Marisa Abela selbst auf der Bühne „Back to Black“ oder „Love Is a Losing Game“ singt und diesen Winehouse-Sound verstörend authentisch belebt. Da swingt es durchs Kino, als ob nichts gewesen wäre, und man schaut ihr wie einer Ertrinkenden zu, die mit ihren Songs immer wieder aus dem Abgrund auftaucht, um Luft zu holen.

Aber damals, 2005 an der Theke des „Good Mixer“, hat sie das Schwimmen verlernt.