Zum Glück hat Paul McCartney nicht auf seinen Vater gehört, der sich die Songzeile „She loves you, yes, yes, yes“ wünschte – weil er „yeah“ nicht mochte! Über ein Wörtchen, das weltberühmt ist – nicht nur in der Musik.
Die deutsche Sprache ist reich an bedeutsamen Lauten – Füllwörter wie „äh“, „eh“, „tja“, „doch“, „eben“, „schwupps“ oder „zack“. Sie sind so kurz und unscheinbar, dass sie in der Fachsprache „Partikeln“ heißen. Semantische Staubkörner also, die wie kleine Gewichte auf den Sätzen liegen und ihre Wirkung entfalten: mal verstärkend, mal abschwächend – und immer ein bisschen erklärungsbedürftig.
Anglizismus: Das Wort „yeah“ ist in den USA identitätsstiftend
So wie yeah, ein Superkorn der englischen Sprache, das wie „au ja“ oder „ach so“ zur Gruppe sogenannter Interjektionen zählt. Während ihm in Nordamerika identitätsstiftende Wirkung nachgesagt wird, fand es im Laufe des 20. Jahrhunderts auch Eingang in den deutschen Partikelnschatz – als hätte es darin noch gefehlt!
Würde irgendwer fragen, was yeah bedeutet, käme dieser Irgendwer wahrscheinlich nicht von dieser Welt. Yeah ist schließlich ein Weltwörtchen geworden, das – dem Dollar ähnlich – überall kursiert, in Nordkorea, in Russland und sogar im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland. Dort ist die Abneigung gegen die Amerikanisierung der englischen Sprache traditionell ausgeprägt – wie sehr, weiß kein Geringerer als Paul McCartney zu berichten: Sein Vater habe ihm und John Lennon in der Anfangszeit ihrer Band The Beatles vorgeschlagen, statt „She loves you, yeah, yeah, yeah!“ besser „… yes, yes, yes!“ zu singen. „There‘s enough of these Americanisms around“, sagte James McCartney, um seinen bemerkenswerten Vorschlag zu begründen. Der Sohn ist dem Rat nicht gefolgt.
Peter Littger ist DER WORDSPLAINER. Der Journalist und Buchautor schrieb den Nummer 1 Bestseller „The Devil lies in the Detail – Lustiges und Lehrreiches über unsere Lieblingsfremdsprache“. Zuletzt erschien von ihm „Hello in the Round! Der Trouble mit unserem Englisch und wie man ihn shootet“.
© Max Lautenschläger
Weltberühmt wurde unterdessen eine nicht unähnliche Erklärung, die Walter Ulbricht als Vorsitzender des Staatsrats der DDR zwei Jahre später, im Dezember 1965 abgab: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Jeh-jeh-jeh und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.“ Lieder mit englischen Texten, nicht zuletzt der Beatles, wurden daraufhin im Osten Deutschlands verboten – vergeblich, wie wir nicht erst heute wissen.
Obwohl Yeah im Oxford English Dictionary unmissverständlich als U.S. English geführt wird, wo es offenbar 1863 zum ersten Mal verschriftlicht wurde, liegt sein Ursprung auf den britischen Inseln. Dort hatte sich die englische Sprache aus einem ziemlich komplizierten, sogenannten Four-form system des Ja- und Nein-Sagens entwickelt. Yes diente dazu, einer negativen Frage oder Annahme positiv zu widersprechen, No um sie zu bestätigen. Yea bestätige hingegen eine positive Aussage und Nay widersprach ihr:
Will you not take part?
– Yes, I will (take part).
– No, I will (not take part).
Will you take part?
– Yea, I will (take part).
– Nay, I will not take part.
Während sich William Shakespeare in seinen Texten des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts noch bemühte, das System einzuhalten, war er auch einer der ersten Schriftsteller, die damit brachen. Übrig blieben nicht nur Yes und No als Two-form system wie wir es kennen, sondern es entwickelte sich ein Yea (zunächst ohne h) mit unterschiedlichen Bedeutungen: von einem starken Ja – ähnlich dem traditionellen Aye! (Im britischen Parlament heißt es heute noch „The Ayes have it – der Vorschlag wird angenommen“) – bis hin zu einer zögerlich-skeptischen Zustimmung, der Bedenken und nicht selten Ungläubigkeit innewohnen. Auf diese Weise entwickelte sich Yeah zum englischen „Jein“.
Dass im Oxford English Dictionary heute auch die Einträge „Yeah, right“ und „Yeah, sure“ notiert sind, trägt dem Skeptizismus Rechnung, der nicht selten Geringschätzung und Sarkasmus ausdrückt. Damit dokumentiert sich eine Grundhaltung der Coolness, die ja nie ganz dem Positivismus verschrieben ist. Sie hat ihr enormes Potenzial genutzt und ist zum Schlachtruf einer Gegenkultur zum „What-you-see-it-what-you-get“ des Kapitalismus geworden. Yeah dient längst als Affirmation des Restzweifels, der im Laufe des 20. Jahrhunderts tatsächlich in den USA erwachsen wurde: „Da ist noch mehr als Geld, Baby! Da ist Liebe. Yeah!“
STERN PAID Tauben im Gras 15.19
Auch Babys rufen „yeah“
Wer vor diesem Hintergrund lieber von einem Lebensgefühl als einer Logik ausgehen möchte und im Yeah weniger einen rationalen als vielmehr einen intuitiven Laut vermutet, kann den Ursprung bei den Babys statt bei den Amerikanern suchen – und wird fündig. Sie rufen ebenfalls „Jeh jeh“ – ideologiefrei und fast überall auf der Welt. Ohne Frage ist es ein Yeah zum Leben – mit den Einschränkungen, die ein neugeborener Mensch ertragen muss. War für Babys eine sogenannte Holophrase – also ein Wort, das alles sagt –, ist es auch für Erwachsene noch. Vermutlich ist es das, was den Lebensschrei Yeah so kraftvoll macht.
Von diesem Schrei ausgehend, können wir Yeah als ganzheitlichen Seufzer des Daseins begreifen. Jenseits aller hermeneutischen Skepsis huldigt er den Hochgefühlen, die sich nur erleben lassen, wenn es auch Täler gibt – die Langeweile der Gegenwartsgesellschaft! Sie hat zu einem skurrilen Yeah-Moment und einem eigenen Yeah-Meme in der jüngeren deutschsprachigen Kultur geführt, als Angela Merkel Bundeskanzlerin war und 2009 in Hamburg auftrat. Mit ihrem „Ach ja“ und „Ach nein“ war sie bekanntlich eine Priesterin der Partikeln, was den Kreis schließt und Yeah zum Schlachtruf gegen die politische Langeweile machen konnte. Auf einem Wahlplakat mit dem Text „Angela Merkel kommt“ stand mit Filzstift: „Und alle so: yeaahh!“ Dass wir die Langeweile mittlerweile überwunden haben, daran besteht wohl kein Zweifel mehr. Oder doch? Yeah!