Volker Wissing schürt Angst vor drohenden Fahrverboten. Dabei hat das Autoland Deutschland schon mal autofreie Tage überstanden. Der Bundesverkehrsminister will bloß von seiner Untätigkeit ablenken.
Die Würde des Autos ist unantastbar. Das könnte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) als Tattoo tragen.
Im Klimaschutzgesetz sind – oh Wunder – die deutschen Klimaziele verbindlich geregelt. Es sieht vor, dass die Emissionen von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Für einzelne Sektoren wie Industrie, Energiewirtschaft oder Gebäude wurden zulässige Jahresemissionsmengen festgelegt, natürlich auch für den Bereich Verkehr.
Doch Wissing drängt auf eine Reform des Klimaschutzgesetzes. Denn wenn die anderen genug CO2 einsparen und das Gesamtziel erreichen, müsste der Verkehrssektor nicht mehr reduzieren. Statt also seinen Job und also zumindest einmal Vorschläge zu machen, wie in seinem Zuständigkeitsbereich Emissionen eingespart werden können, malt Wissing nun das vermeintliche Horrorszenario „Fahrverbote“ an die Wand. Er weiß, wie man die Deutschen kriegt. Oder er glaubt es zu wissen.
STERN PAID Kommentar Volker Wissing 19UhrDer Minister ist wohl zu jung, um sich zu erinnern, aber: Der 25. November 1973 war der erste von vier autofreien Sonntagen während der Ölkrise, in der die ganze Bundesrepublik Energie sparen sollte. Außerdem war im damaligen Energiesicherungsgesetz ein sechsmonatiges Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen sowie 80 auf Landstraßen festgeschrieben. Der Stoff, aus dem Wissings Alpträume gemacht sind.
Diskussion um Fahrverbote: Man kommt auch mal ohne Auto aus
Aber vielleicht könnte Wissing mal bei älteren Menschen nachfragen? Er würde dann feststellen, dass sie den temporären Autoverzicht überlebt haben, sogar schadlos. Mit zeitlichem Vorlauf lassen sich autofreie Wochenenden nämlich planen. Dann bleibt man halt zu Hause. Oder fährt Rad, Bus, Bahn oder Zug, wenn man dringend unterwegs sein muss. Natürlich ist die Herausforderung in ländlichen Gebieten ungleich größer als in Großstädten – auch, weil Wissing sich zuallererst als Autominister versteht und in der Tradition seiner Vorgänger den ÖPNV vernachlässigt.Mobilitäts-Mix_7.30Uhr
Jedenfalls kommt man auch mal ohne Auto aus, auch dauerhaft. Und selbst wenn das für FDP-Politiker schwer vorstellbar ist: Nicht jeder kann sich ein Auto leisten. Manche verzichten sogar bewusst darauf. Bitte? Ja, ganz recht. Einfach mal ausprobieren! Ab und zu eine neue Erfahrung zu machen, das hat noch niemandem geschadet. Vielleicht würde dann auch Bundesverkehrsminister Wissing merken: Die Würde des Autos ist sehr wohl antastbar.