Erstmals gibt ein CDU-Politiker einem Rechtsextremisten eine große Bühne jenseits der Parlamente. Ob das gut geht? Auf was sich der Thüringer Spitzenkandidat Mario Voigt bei seinem Fernsehduell gegen AfD-Mann Björn Höcke einstellen muss.

Am Donnerstagabend tritt der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke zur besten Sendezeit gegen seinen CDU-Amtskollegen Mario Voigt an. Die beiden sind Spitzenkandidaten ihrer Parteien für die im September stattfindende Landtagswahl. Das sogenannte Duell, das bei „Welt TV“ ausgestrahlt wird, ist hoch umstritten. Während die CDU erklärt, nur so könne die AfD inhaltlich gestellt werden, monieren Kritiker, dass damit ein Rechtsextremist aufgewertet und normalisiert werde.

Selbst in der CDU wird intern eingestanden, dass das Manöver Gefahren birgt. Voigt kann im Duell gegen Höcke vor allem in drei Fallen tappen. 

Erstens: Wissenslücken

In der Auseinandersetzung mit Demagogen oder gar Extremisten sind tiefe Kenntnisse, lange Erfahrung und größtmögliche Präzision gefragt. Voigt muss in diesem Fall nicht nur das Programm der AfD gelesen haben, sondern auch die Parteitagsbeschlüsse und die zentralen Reden bis ins kleinste Detail kennen, um Höcke, wie er als zentralen Anspruch formuliert, „inhaltlich zu stellen“. Denn jeder Fehler, das durften schon allerlei Journalisten erfahren, wird mit maximaler Häme im Netz bestraft.

Wie schnell Ungenauigkeiten unterlaufen können, belegte Voigt jüngst selbst: Denn dass jetzt ausgerechnet zwei Landtagsabgeordnete über Europapolitik diskutieren sollen, liegt daran, dass Voigt seinen Kombattanten Höcke nicht korrekt zitierte. So hatte der CDU-Fraktionschef in einem Interview behauptet, dass der AfD-Politiker „Europa sterben“ lassen wolle. Tatsächlich lautete Höckes Satz, auf den sich Voigt bezog: „Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann“ – was wiederum ein paraphrasiertes Zitat des NS-nahen Dichters Heinrich Lersch war.  

Höcke bezichtige daraufhin Voigt auf dem Kurnachrichtendienst X der Falschaussage, drohte mit einer Unterlassungserklärung, nur um plötzlich die Taktik zu ändern und den CDU-Politiker per X zur Diskussion aufzufordern. „Oder kneifen Sie?“, schrieb er.

Voigt nahm an – und könnte nun von Höcke gleich zum Einstieg mit seinem Lapsus konfrontiert werden. 

Zweitens: Überkompensation 

Voigt hat als Fraktionschef im Thüringer Landtag offensiv dafür gesorgt, dass es mit den Stimmen von Höckes Truppen zu oppositionellen Gestaltungsmehrheiten im Landtag kam. Im Spätsommer 2023 wurde zum Beispiel die Grunderwerbsteuer mit Stimmen von CDU, AfD und FDP in Thüringen gegen den Willen der rot-rot-grünen Minderheitskoalition gesenkt. Dem auch damit beförderten Eindruck der Kungelei mit der AfD begegnet Voigt regelmäßig mit verbaler Überkompensation, indem er etwa die AfD als „Schande für Deutschland“ bezeichnet. 

Auch am Donnerstagabend dürfte der Christdemokrat versucht sein, rhetorisch zu eskalieren, um jeden Verdacht einer klandestinen Kooperation mit Höcke zu zerstreuen. Allerdings läuft er Gefahr, unsouverän zu wirken. Und Höcke hätte Gelegenheit, das Opfer zu mimen. Wie in anderen seiner seltenen Fernsehauftritte dürfte der AfD-Fraktionschef den Demagogen in sich unterdrücken und sich stattdessen als verfolgte Unschuld präsentieren.

Drittens: Vereinnahmung

In den knapp zehn Jahren, die Höcke inzwischen im Thüringer Landtag sitzt, hat er es mit der Umarmung der CDU versucht. 2014 sagte er etwa über Voigts Amtsvorgänger Mike Mohring, dieser sei ein „profilierter Konservativer“ und fügte an: „Er ist ein junger Stürmer und voll im Saft.“

Nach der Landtagswahl 2019 schrieb er einen Brief an Mohring und FDP-Landeschef Thomas Kemmerich und sprach darin von Schnittmengen der Bildungs-, Asyl- und Einwanderungs- sowie Sicherheitspolitik. Die AfD sei bereit, „über neue Formen der Zusammenarbeit ins Gespräch zu kommen“, etwa über eine „von unseren Parteien gemeinsam getragene Expertenregierung oder eine von meiner Partei unterstützte Minderheitsregierung“. Auch wenn Union und Liberale den Vorschlag zurückwiesen, kam es nur wenige Wochen später zur Ministerpräsidentenwahl Kemmerichs mit Stimmen von AfD, CDU und FDP. Voigt nahm damals übrigens als Abgeordneter an der Wahl teil.  

Auch in jüngeren Landtagsreden changiert Höcke zwischen harten Angriffen und offenen Versuchen der Vereinnahmung. Die CDU könne sich immer noch für das Richtige entscheiden, sagt er sinngemäß immer wieder. So wie bei der Senkung der Grunderwerbsteuer stehe die AfD stets zur Zusammenarbeit zum Wohle des Thüringer Volkes bereit. In diesem Duktus dürfte Höcke auch am Donnerstagabend den Staatsmann geben – und lächelnd abwarten, wie Voigt darauf reagiert.