Vier führende Gesundheitsverbände haben mit scharfen Worten Minister Karl Lauterbach (SPD) und dessen Reformvorhaben kritisiert. Ohne sofortige politische Weichenstellungen seien „dramatische Versorgungslücken“ zu erwarten, warnten Verbändevertreter am Donnerstag vor einem Treffen mit Lauterbach in Berlin. Dieser warb erneut für seine Vorhaben, insbesondere für die Klinikreform. Diese sei „dringend notwendig“, betonte er, die Umsetzung befände sich „auf der Zielgeraden“. Grüne und FDP verteidigten die Reform ebenfalls.

Die Verbände verwiesen hingegen auf die Gefahr, dass die Menschen in Deutschland in Zukunft nicht mehr flächendeckend und wohnortnah Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser und Apotheken finden könnten. Lauterbachs politische Entscheidungen führten dazu, „dass die Patienten immer weniger Leistungen an weniger Standorten erhalten werden beziehungsweise bereits erhalten“. 

So äußerten sich am Donnerstag die Spitzen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). „Wir sehen, dass die komplementäre gemeinsame Versorgung in allen Bereichen den Bach runter geht“, betonte der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. 

Scharf kritisiert wurde auch Lauterbachs geplante Krankenhausreform. Diese werde „so schlecht gemanagt, dass man praktisch von einem Scheitern sprechen muss“, sagte DKG-Vorstandschef Gerald Gaß. Mit dem, was bisher bekannt sei, seien die zentralen Ziele des Gesetzes nicht ansatzweise zu erreichen. Gaß bescheinigte dem Minister eine „desaströse Bilanz nach zweieinhalb Jahren Regierungszeit“.

Lauterbach will mit seiner Reform das Krankenhaussystem grundlegend verändern. Zentrales Element ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken von dem ökonomischen Druck befreien soll, immer mehr Patienten zu behandeln. Die Einrichtungen sollen sich zudem stärker medizinisch spezialisieren. Die Basis dafür ist ein Gesetz zur Krankenhausfinanzierung, welches Ende April vom Bundeskabinett beschlossen werden soll.

Dem Minister zufolge kann mit der Reform ein „dramatisches Krankenhaussterben“ bis 2026 abgewendet werden. Danach soll es einen „geordneten Umbau und Rückbau“ der deutschen Kliniklandschaft geben. Einrichtungen sollen sich auf bestimmte Leistungen spezialisieren oder zum Beispiel mit anderen Häusern Kooperationen eingehen. Lauterbach betonte: „Es ist unstrittig, dass wir deutlich zu viele Krankenhäuser haben.“

Scharfe Worte für die Pläne fand auch die Bundestagsgruppe der Linken: Lauterbach treibe die Kliniken weiter in die Krise, erklärte ihr Gesundheitspolitiker Ates Gürpinar. Die wirtschaftliche Situation insbesondere der kommunalen und freigemeinnützigen Krankenhäuser sei „dramatisch“. Ziel der Krankenhausreform müsse eine kostendeckende Finanzierung aller bedarfsnotwendigen Krankenhäuser sein, so Gürpinar. Davon sei der aktuelle Prozess der Reform allerdings „leider weit entfernt“.

Einen fehlenden Blick auf die Patienten bemängelten zudem Patientenschützer. „Der Krankenhausalltag gleicht weiterhin einem Dschungel“, erklärte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Die Koordination zwischen Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern finde nicht statt.

Die Vorstandschefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, empfahl allen Beteiligten hingegen „rhetorisch wieder abzurüsten und die Kirche im Dorf zu lassen“. Die Probleme seien hausgemacht. „Gesetzliche Krankenversicherung und deutsches Gesundheitswesen leiden vor allem an veralteten Strukturen, hierarchischen Arbeitsweisen und verschleppten Reformen.“

Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink: Die Auflösung des jahrzehntelangen Reformstaus müsse jetzt politische Priorität haben. „Rituelle Forderungen nach mehr Geld und das professionelle Schlechtreden von geplanten Strukturreformen sind darauf keine hinreichenden Antworten.“ Die Menschen müssten sich auch künftig darauf verlassen können, dass sie überall im Land gut versorgt und gepflegt würden. Das könne nur gelingen, „wenn sich alle der Herausforderungen bewusst werden und von eingeübten Ritualen ablassen“.

Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus verteidigte ebenfalls Lauterbachs Krankenhausreform. Diese sei „zur finanziellen Stabilisierung der Kliniken dringend erforderlich“. Das Gesetz werde einem unkontrollierten Krankenhaussterben entgegenwirken. Aschenberg-Dugnus betonte: Eine Förderung der Kliniken „mit der Gießkanne lehnen wir weiterhin ab“. Dies verhindere notwendige Veränderungen der Krankenhauslandschaft.