Es ist ein Pulver, das geradezu harmlos aussieht: Die Polizei Mannheim hat sogenanntes „Pinkes Kokain“ sichergestellt. Mit klassischem Koks hat die Droge allerdings wenig zu tun – das macht sie so gefährlich.
„Pinkes Kokain“ ist auch in Deutschland angekommen: Bei der Festnahme eines Dealers haben Polizeikräfte in Mannheim erstmals das auffällige Pulver in der Bundesrepublik entdeckt. Die Ermittler konnten ein Kilogramm sicherstellen. Die Droge kommt ursprünglich aus Südamerika, ist dort mittlerweile weit verbreitet. Mit klassischem Kokain hat sie aber nichts gemein – ein zusätzliches Risiko für Konsumenten, denn die Wirkung ist häufig unberechenbar. Erst vor wenigen Monaten starb ein 14-Jähriger, der einen Energydrink trank, der zwei Gramm der Droge enthielt.
Beratungsstellen warnen eindringlich vor der Einnahme von „Tusi“, wie das Mittel auch genannt wird. Seit einiger Zeit gehen bei Drogenberatungsstellen immer wieder Proben von „Pinkem Kokain“ ein. „Checkit“ in Wien etwa erklärte nach Untersuchung der Substanz, dass sie mit „klassischem“ Kokain nichts gemein habe. Genau deshalb sei sie auch so gefährlich.
„Pinkes Kokain“ – ein Mix aus verschiedenen synthetischen Substanzen
Bereits 2022 berichteten internationale Medien über die zunehmende Ausbreitung einer neuen Droge in Südamerika. Tusi überschwemme die Clubszenen in Venezuela, Peru, Panama, Uruguay, Costa Rica und Paraguay – ein pinkes Pulves, das in Getränke gemischt oder geschnupft werden kann. Auffällig schon damals: „Pink Cocaine“ wurde ständig in unterschiedlicher Zusammensetzung gefunden. Es ist keine Substanz, sondern ein Drogencocktail. Interview Psychotherapeut Thimo van der Pol 19.40
Während bei Untersuchungen in Uruguay neben Methamphetamin (Crystal Meth) und LSD tatsächlich auch Kokain in dem Pulver entdeckt wurde, trat Tusi in Panama als Verschnitt aus dem Beruhigungsmittel Ketamin und dem pharmazeutischen Opioid Tramadol auf. In Venezuela wiederum wurde die Droge als Mix aus LSD und Ecstasy bekannt. Aber auch andere Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol wurden in untersuchten Proben festgestellt, ebenso Koffein.
Sowohl die Farbe als auch der Name sollen wohl dem Marketing der Droge dienen. „Checkit“ erklärte: „Die irreführenden Bezeichnungen können den Glauben erwecken, dass es sich um Kokain oder [andere Drogen] handele. Verwechslung mit einer Mischung aus unterschiedlichen anderen Substanzen kann zu einem unangenehmen Rauscherlebnis führen.“ Oder sogar lebensgefährlich werden. Das in Deutschland und Österreich untersuchte Tusi bestand zum Großteil aus Ketamin, gemischt mit Ecstasy. Eine gefährliche Mischung, denn Ketamin kann insbesondere in Verbindung mit anderen „Downern“ wie Alkohol zu einem Atemstillstand führen, wie in dem Fall des 14-Jährigen in Spanien.
Aromatisierter Farbstoff machte die Droge salonfähig
Tusi ist eine vergleichsweise neue Droge. Ihre weltweite Verbreitung lässt sich vor allem auf die pinke Farbe zurückführen – und auf eine Art Produktpiraterie. Denn ursprünglich war sie die Erfindung eines US-Chemikers in den 1970er-Jahren. Der Name Tusi (oder auch „Tusibi“) war eine phonetische Übersetzung seiner chemischen Verbindung „2C-B“ (engl.: Two-C-B). Das Neue an der Droge: Sie verband die euphorische Wirkung von Ecstasy mit der halluzinogenen von LSD. Einige Jahre war sie aber höchstens Insidern der europäischen Clubszene ein Begriff. Spanien Ermittlungen Tod 14-Jähriger rosa Kokain11:55
In den frühen 2000er Jahren gelangte die Substanz in kleinen Mengen nach Kolumbien und wurde in ‚besseren Kreisen‘ verkauft. Der Ruf der Oberschicht-Droge war geboren – eine synthetische, europäische Droge, die deutlich teurer war als das lokale Kokain. Das hatte die Mittel- und Arbeiterschicht in Kolumbien im Griff. Der große Durchbruch blieb aber aus. Aus zwei Gründen: Das Pulver sah mit seiner braunen Farbe unappetitlich aus und es war schmerzhaft zu schnupfen. Also kam ein Dealer auf die Idee, der Substanz aromatisierte, pinke Lebensmittelfarbe beizumischen. Der Konsum war nun angenehmer und die Ästhetik der Droge war eine völlig andere.
Doch im Vergleich zu anderen Rauschmitteln war Tusi noch immer kompliziert und teuer herzustellen. Also begannen Dealer geringe Mengen von 2C-B mit anderen Mitteln zu strecken. Für Konsumenten war das nicht zu erkennen, denn auch die Mixturen wurden pink eingefärbt. Die Farbe galt als Markenzeichen. Ab diesem Zeitpunkt wusste nur noch der jeweilige Dealer, was sich hinter „seinem“ Tusi verbarg: Kokain, Ketamin, Methamphetamin, LSD oder Ecstasy – die eigentliche Substanz 2C-B, die dem pinken Pulver seinen Namen gab, ist in den Hintergrund gerückt. Nur eines ist gleich geblieben: Die meisten Mischungen bestehen aus einem „Upper“ und einem „Downer“ – weltweit bekannt als „Speedball“. Mittlerweile soll das „Pinke Kokain“ sogar seinen weißen Namensvetter als beliebteste Droge in Südamerika abgelöst haben.
Ob es die Farbe, die Wirkung oder beides ist – Tusi ist mittlerweile weit über Lateinamerika hinaus beliebt. Mit der Beschlagnahmung der Droge in Mannheim scheint festzustehen, dass sie auch in Deutschland angekommen ist.
Quellen: Pressemitteilung Polizei Mannheim, Insight Crime, Swissinfo, QCostarica, La Prensa, Büro der Vereinten Nationen für Drogen, Checkit, Drugchecking.berlin