Die Kindergrundsicherung soll Kindern und Jugendlichen zugutekommen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen oder bedroht sind. Trotzdem sorgt der Gesetzentwurf für den nächsten Streit in der Ampelkoalition. Wer was fordert und worum es wem geht.
Mit der Kindergrundsicherung will die Bundesregierung ab 2025 bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder den Kinderzuschlag bündeln. Damit soll erreicht werden, dass künftig alle Familien, denen entsprechende Leistungen zustehen, diese auch vollumfänglich erhalten. Bislang ist das laut Familienministerium nur bei einem Bruchteil der Fall.
Die Kindergrundsicherung gilt als das sozialpolitische Prestigeprojekt der Grünen. Das Kabinett hatte im September einen Gesetzentwurf mit dem Ziel verabschiedet, dass die Kindergrundsicherung am 1. Januar 2025 in Kraft tritt. Doch noch sind viele Dinge ungeklärt, weswegen die Koalitionsspitzen am Mittwoch vor allem über dieses Thema beraten.STERN PAID_36_23_Interview Jessica Laue_Arche 10.20
Warum sorgt die Kindergrundsicherung für Streit?
Hauptstreitpunkt sind seit Tagen die 5000 neuen Behördenstellen, die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) als Bedarf für das große Sozialvorhaben angemeldet hatte. Daran übt die FDP weiterhin scharfe Kritik – auch wenn Paus ihre Forderung am Wochenende bereits abgeschwächt und angedeutet hatte, dass perspektivisch auch weniger Stellen zur Umsetzung der Kindergrundsicherung denkbar wären. Regierungssprecher Steffen Hebestreit trat am Montag dem Eindruck entgegen, mit der Reform solle ein Bürokratiemonster geschaffen werden. „Die komplette Bundesregierung strebt eine möglichst effiziente Lösung an“, erklärte Hebestreit. Es baue keiner „aus Jux und Tollerei einen großen Beamtenapparat auf“.
Was stört die FDP?
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat Paus zur Überarbeitung ihres Gesetzentwurfs zur Kindergrundsicherung aufgefordert. „Es muss nachgearbeitet werden“, sagte der FDP-Vorsitzende der „Augsburger Allgemeinen“. Der Finanzminister verwies auf zwei von der Koalition vereinbarte Bedingungen als Grundvoraussetzung zur Einführung der neuen Sozialleistung. „Erstens darf es keinen überproportionalen Verwaltungsaufwand geben, sondern es muss weniger Bürokratie geben durch Digitalisierung“, mahnte Lindner. Zweitens dürfe es keine Anreize geben, dass Menschen wegen höherer Sozialleistungen nicht mehr arbeiten gehen. Beide Voraussetzungen seien beim jetzigen Entwurf von Paus „offenbar nicht gegeben“, sagte Lindner.Innovative Schulfächer 1610
Was antwortet Bundesfamilienministerin Lisa Paus auf die Kritik?
Die Bundesfamilienministerin Lisa Paus lehnt die grundlegende Überarbeitung des Gesetzentwurfs zur Kindergrundsicherung ab. „Wir haben den gemeinsamen Gesetzentwurf in der Koalition beschlossen“, sagte Paus im ARD-„Morgenmagazin“. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und sie hätten den Entwurf gemeinsam erarbeitet, stellte Paus klar.
Hauptstadt-Newsletter 20Seit die Bundesregierung den Gesetzentwurf beschlossen habe, sei er im parlamentarischen Verfahren. Dabei werde daran gearbeitet, Doppelstrukturen abzubauen. Das derzeitige „Bürokratiemonster“ führe dazu, dass Millionen Kinder nicht die Leistungen bekämen, auf die sie einen Anspruch hätten, kritisierte die Ministerin den aktuellen Zustand.
Die Koalition habe sich auf den Abbau der Bürokratie verständigt. „Das machen wir, indem wir die bisherigen verschiedenen, vielen Leistungen bündeln zu einer Leistung“, sagte Paus.
Was sagt die SPD zum Streit?
Die SPD-Fraktion steht im Grundsatz hinter dem Vorhaben. Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast drang aber am Mittwoch in Berlin auch auf erhebliche Änderungen an dem vorliegenden Gesetzentwurf von Familienministerin Lisa Paus (Grüne). Entscheidend müsse dabei sein, „dass das Geld leichter zu den Kindern kommt“.
„Wir wollen die Kindergrundsicherung“, betonte Mast. Auch Forderungen aus der FDP nach einem komplett neuen Gesetzentwurf wies sie zurück. Vielmehr bleibe der vorliegende Entwurf von Paus „die Beratungsgrundlage für das parlamentarische Verfahren“. An diesem Entwurf jedoch werde es noch „substanzielle Änderungen“ geben müssen. Die SPD-Politikerin verwies auf noch vorhandene Schwachstellen, ohne aber konkreter zu werden.
Worüber berät der Koalitionsausschuss noch?
Die Verhandlungen über den Haushalt für das kommende Jahr stehen noch an: Hier sollen die Ministerien bis zum 19. April Sparvorschläge erstellen, auf deren Grundlage Finanzminister Christian Lindner (FDP) dann ein Haushaltskonzept erarbeitet. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte, sie erwarte, dass unter anderem außenpolitische Themen eine Rolle spielen würden.
Quellen: DPA, AFP, Lindner in der „Augsburger Allgemeinen“, Paus im „ARD Morgenmagazin“ zu Kindergrundsicherung.