Überraschung im „Fahrradgate“-Prozess. Der Verteidiger der angeklagten Polizisten legt sein Mandat nieder. Wie geht es nun weiter?

Im „Fahrradgate-Prozess“ um den illegalen Weiterverkauf von sichergestellten Rädern bei der Polizei Leipzig hat der Verteidiger der angeklagten Polizistin das Mandat niedergelegt. Der Rechtsanwalt habe den Schritt damit begründet, dass er noch weitere Beschuldigte in dem Verfahren vertritt und somit ein Interessenkonflikt bestehen könnte, sagte ein Sprecher des Landgerichts Leipzig am Dienstag. Der Anwalt selbst wollte auf Anfrage keine Angaben machen. Wie das Verfahren gegen die 47 Jahre alte suspendierte Polizeihauptmeisterin wegen Diebstahls, Bestechlichkeit und Urkundenfälschung nun weitergehe, sei noch unklar, sagte der Gerichtssprecher.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wirft der damaligen Verantwortlichen in der Asservatenkammer vor, von August 2014 bis November 2018 mindestens 265 zum Teil hochwertige Fahrräder weitergegeben zu haben – überwiegend an Polizisten, auch von der Bereitschaftspolizei und dem Landeskriminalamt. Sie soll dafür meist eine „Spende“ von bis zu 50 Euro bekommen haben. Die Fahrräder waren überwiegend gestohlen und später von der Polizei sichergestellt worden. Die ursprünglichen Besitzer und auch die Versicherungen hatten die Fälle bereits abgegolten und kein Interesse mehr an den Rädern gehabt. Diese sollten entweder entsorgt oder an einen gemeinnützigen Verein übergeben werden.

Die 47-Jährige hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Sie habe keinerlei Gelder für sich behalten oder sich persönlich bereichert, hatte sie in der Vorwoche über ihren Verteidiger erklären lassen. Sie habe alle Übergaben der Fahrräder protokolliert und die Spenden, die sie erhalten habe, an einen gemeinnützigen Verein abgeführt. Dieses Vorgehen sei auch stets mit den Vorgesetzten abgesprochen gewesen. Die Spenden hatte ein kleiner Gartenverein im Landkreis Leipzig erhalten, deren Vorsitzender ihr Vater war. Für Dienstag war ursprünglich die Zeugenaussage des Vaters geplant.

Die 8. Strafkammer hatte nach einem Rechtsgespräch mit allen Prozessbeteiligten eine Geldstrafe für die Angeklagte in Aussicht gestellt, sollte diese sich umfassend zu den Vorwürfen einlassen. Die Generalstaatsanwaltschaft beabsichtigte dagegen, an den ursprünglichen Anklagepunkten festzuhalten. Für sie komme keine Geldstrafe in Betracht, sondern eine Freiheitsstrafe.

Das Strafmaß ist für die Angeklagte auch aus dienstlicher Sicht relevant. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr würde sie automatisch aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Bei einer Geldstrafe müsste nach Angaben des Vorsitzenden Richters verwaltungsrechtlich über das Dienstverhältnis entschieden werden.