Leibliche Väter in Patchworkfamilien sollen mehr Rechte bekommen. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag soll es für sie einfacher werden, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Manns anzufechten. Die Karlsruher Richterinnen und Richter brachten auch die Möglichkeit von drei statt zwei rechtlichen Elternteilen ins Spiel – dem erteilte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) aber eine Absage. (Az.1 BvR 2017/21)
Als Mutter gilt in Deutschland automatisch die Frau, die das Kind zur Welt bringt. Rechtlicher Vater ist ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Geburt oder der Mann, der die Vaterschaft mit ihrer Zustimmung anerkennt oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde.
Die beiden rechtlichen Elternteile haben bestimmte Rechte und Pflichten. So ist rechtliche Vaterschaft beispielsweise Voraussetzung für das Sorgerecht, auch Staatsangehörigkeit und Familienname hängen von der rechtlichen Elternschaft ab.
Im konkreten Fall vor dem Bundesverfassungsgericht ging es um einen Mann aus Sachsen-Anhalt, der leiblicher Vater eines dreijährigen Jungen ist. Die Beziehung zur Kindsmutter ging kurz nach der Geburt in die Brüche. Die Frau stimmte einer vor dem Standesamt abgegebenen Vaterschaftsanerkennung nicht zu. Als rechtlicher Vater ist nunmehr mit ihrer Zustimmung ihr neuer Lebensgefährte eingetragen, der mit ihr und dem Kind zusammenlebt.
Der leibliche Vater wollte das vor Gericht anfechten. Er scheiterte aber an der bisherigen Regelung. Demnach ist eine Vaterschaftsanfechtung unmöglich, wenn der rechtliche Vater inzwischen für das Kind Verantwortung trägt und mit ihm in einer Familie zusammenlebt.
Diese Regelung kippte das Bundesverfassungsgericht nun. Sie sei mit dem im Grundgesetz verankerten Eltergrundrecht nicht vereinbar, erklärte es. Der Gesetzgeber muss eine Neuregelung ausarbeiten. Bis Ende Juni 2025 hat er dafür Zeit. So lange gilt die bisherige Regelung weiter. Leibliche Väter können aber die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Neuregelung beantragen. Als leibliche Eltern werden dabei die Frau und der Mann verstanden, die das Kind durch Geschlechtsverkehr zeugten.
Zur Anzahl möglicher Elternteile änderte das Verfassungsgericht mit dem aktuellen Urteil seine Rechtsprechung. Anders als bisher hält es auch mehr als zwei Eltern für möglich – allerdings in Grenzen. Der Gesetzgeber dürfe rechtlich eine Mutter und zwei Väter für das Kind vorsehen, den leiblichen und den rechtlichen, erklärte das Gericht – müsse das aber nicht tun. Auch müssten in solchen Fällen nicht alle drei Erwachsenen die gleichen Rechte bekommen. Ihre jeweilige Stellung könne „differenzierend“ ausgestaltet werden.
Bundesjustizminister Buschmann sagte allerdings, dass die Bundesregierung weiter bei dem Prinzip von nur zwei Eltern bleiben wolle. Darüber bestehe in der Ampelkoalition Einvernehmen. „Wir wollen eine ehrgeizige Reform des Abstammungsrechts durchführen, wir wollen aber keine Revolution machen“, sagte Buschmann vor Journalisten in Berlin.
Für den Fall von nur zwei rechtlichen Eltern in einer Trennungsfamilie beschloss das Gericht, dass dem leiblichen Vater ein „hinreichend effektives Verfahren“ zur Verfügung stehen müsse, um auch rechtlicher Vater zu werden. Dabei müssten seine aktuelle oder frühere Beziehung zum Kind, das „frühzeitige und konstante Bemühen um die rechtliche Vaterschaft“ oder der Wegfall einer sozial-familiären Beziehung des Kinds zu seinem bisherigen rechtlichen Vater berücksichtigt werden.
Buschmann sieht in dem Urteil Rückenwind für seine Reformpläne, zu denen er bereits im Januar Eckpunkte vorstellte. Demnach soll verhindert werden, dass „eine Elternschaft nur zu dem Zweck anerkannt wird, die gerichtliche Feststellung des leiblichen Vaters zu verhindern“. Darum solle es nicht möglich sein, dass ein anderer Mann die Vaterschaft anerkennt, solange ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung einer Vaterschaft läuft.
Außerdem, so die Idee, soll eine sozial-familiäre Beziehung des Kinds zum rechtlichen Vater künftig nicht mehr in jedem Fall verhindern, dass der leibliche Vater die rechtliche Vaterschaft anfechten kann. Familiengerichte sollten hier im Einzelfall abwägen. Buschmann kündigte nun an, dass „auf Hochtouren“ an einem Gesetzentwurf gearbeitet werde.
Das Papier des Ministeriums sieht auch Neuregelungen für lesbische Paare vor. Darum ging es aber vor dem Bundesverfassungsgericht nicht.
Im konkreten Fall aus Sachsen-Anhalt muss das Oberlandesgericht Naumburg nun noch einmal entscheiden. Möglicherweise wird das dortige Verfahren bis zu einer Neuregelung ausgesetzt. Der Vater gab sich nach der Urteilsverkündung zurückhaltend. Das Urteil sei zwar „auf jeden Fall ein Erfolg“, sagte er. Für ihn persönlich gebe es aber noch keinen erfolgreichen Ausgang.