Eine 39-Jährige bringt ihr Pflegekind in die Kita. Dann wird sie nie wieder gesehen. War es Mord? Vor Gericht müssen sich deshalb nun zwei Männer verantworten. Es wird wohl ein langer Prozess, denn die Staatsanwaltschaft hat ein Problem: Die Leiche fehlt.
Es war ein unscheinbarer Morgen, als Alexandra R. zum letzten Mal gesehen wurde. Die 39-Jährige, hochschwanger im achten Monat, hatte ihre zweijährige Pflegetochter noch zur Kita gebracht. Seither – es war kurz vor Weihnachten 2022 – gilt die Frau aus Nürnberg vermisst.
Ihre Angehörigen erhielten mysteriöse Abschiedsnachrichten. Ihr Handy wurde in Italien geortet. Hatte sie sich wirklich ins Ausland abgesetzt? In ihrer Wohnung lagen noch Bargeld, Ausweise und der Mutterpass. Die Ermittler gingen deshalb schnell von einem Gewaltverbrechen aus. Monatelang suchte die „Soko Hammer“ nach ihrer Leiche. Taucher schwammen im Main-Donau-Kanal, Spürhunde durchkämmten den Nürnberger Hafen, Drohnen flogen das Gebiet ab. Am Ende fanden sie nur ein Panzerband mit Haaren von Alexandra R. und einen ihrer Ohrstecker. Nicht aber ihren Körper.
Ab diesem Dienstag wird zwei Männern vor dem Landgericht Nürnberg dennoch der Prozess gemacht. Es handelt sich um R.s Ex-Freund Dejan B., 50, sowie seinen Geschäftspartner Ugur T., 48. Die Anklage lautet unter anderem auf Mord und Geiselnahme. Seit die beiden im September 2023 in U-Haft kamen, schweigen die beiden. Die Staatsanwaltschaft aber sagt: Es ging um viel Geld.
Das Geschäft lief gut. Dann aber kam es zum Streit. Und schließlich zum Mord?
Die These der Ermittler beginnt mit einem lukrativen Geschäft: Der Angeklagte B. nutzte das Geld seiner damaligen Lebensgefährtin, einer leitenden Bankangestellten, für Immobiliendeals. Diese liefen über die Firma des Mitangeklagten T. Sie kauften Wohnungen und Häuser, renovierten sie, verkauften sie weiter. Fast 30-mal ging das so.
Prozess gegen Christian B. 21.26
Bis es im März 2022 zur gewaltvollen Trennung zwischen Alexandra R. und ihrem Freund kam. Sie flüchtete sich in ein Frauenhaus. Ein Gericht legte ein Kontaktverbot für B. fest. Mit den Geschäften war es vorbei. Alexandra R. soll ihrem Ex-Freund den Zugriff auf ihre Konten verweigert haben.
Wohl unter dem Vorwand, dennoch an ihr Geld zu kommen, behaupteten B. und T., die Frau würde ihnen noch 785.000 Euro schulden. Per Vollstreckung wollten sie die Summe einklagen. Alexandra R. wehrte sich zivilrechtlich dagegen. Doch zu einer Streitschlichtung sollte es nie kommen. Eine Woche vor der entscheidenden Verhandlung vor dem Landgericht verschwand sie.
Vor ihrem Tod musste R. wohl noch einen Brief schreiben
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden Angeklagten ihrem späteren Opfer am Morgen des 9. Dezember 2022 mit einem Mietwagen zu einem Anwesen gefolgt sein sollen, dass R. später vermieten wollte. Dort sollen sie die Frau überwältigt, dann in eine Lagerhalle in Hilpoltstein, südlich von Nürnberg, gebracht und dort schließlich getötet haben. Zuvor sollen sie R. noch gezwungen haben, ihre Strafanzeige per handschriftlichem Brief an die Justizbehörden wieder zurückzunehmen.
Die Leiche sollen die beiden Männer nach Ansicht der Ermittler versteckt und anschließend falsche Spuren gestreut haben, indem sie die Abschiedsnachrichten an die Verwandten des Opfers schrieben und das Handy anschließend an einen geparkten Lkw montierten.
Es wird ein Indizienprozess werden. Die Staatsanwaltschaft stützt sich auf DNA-Spuren, die GPS-Daten der Handys der Angeklagten und Zeugen, die am Tag des Verschwindens das Auto von Alexandra R. beobachtet haben wollen. Doch das wichtigste Beweismittel – die Leiche – fehlt. Wie ist Alexandra R. tatsächlich zu Tode gekommen? Wo steckt ihr Körper? Und warum musste sie letztlich sterben? Um diese Fragen zu beantworten, hat die Strafkammer 37 Verhandlungstage angesetzt. Über 100 Zeugen und zehn Sachverständige werden aussagen. Ein Urteil wird es frühestens im Sommer geben.