Anja Kling gehört seit vielen Jahren zu den bekanntesten Gesichtern im deutschen TV. Im stern-Interview spricht sie über ihren neuen ZDF-Krimi „Der Millionen Raub“ und kritisiert, dass es für Schauspielerinnen über 50 noch immer zu wenig Rollenangebote gibt.

Im ZDF-Krimi „Der Millionen Raub“, in dem Sie eine mit allen Wassern gewaschene Anwältin spielen, wird viel Vertrauen missbraucht und verspielt. Wie reagieren Sie, wenn Ihnen das im echten Leben geschieht?
Zum Glück ist mir das bislang noch nicht oft passiert – aber natürlich bin auch ich dann wahnsinnig enttäuscht und brauche erst einmal Zeit, um das zu verdauen.

Können Sie dann auch einen harten Cut machen?
Das fällt mir schwer, und dafür muss auch sehr viel an Porzellan zerschlagen worden sein. Ich brauche Zeit und Abstand, aber irgendwann ist für mich fast alles verjährt. Dann kann ich mich auch den Menschen wieder annähern, von denen ich gedacht habe, dass ich nie wieder etwas mit ihnen zu tun haben möchte. Es kann zwar ein paar Jahre dauern, aber irgendwann denke ich mir: Jetzt ist es auch gut, und es wird langsam albern, wenn ich immer noch böse und verletzt bin.

In „Der Millionen Raub“ sind verschiedenste Charaktere hinter einer Geldtransporter-Raubbeute von siebeneinhalb Millionen Euro her. Wieso setzt angesichts von derart viel Geld bei vielen von uns irgendwann die Rationalität aus?
Je mehr Geld im Spiel ist, desto größer wird die Gier. Das ist in gewisser Weise menschlich – aber ab der Sekunde, wo diese Gier Anderen schadet, hört es für mich auf. Die Grundsehnsucht nach mehr Wohlstand kann ich aber verstehen. Deshalb spielen ja auch so viele Lotto.

Sie auch?
Ich habe das mal über einen Zeitraum von zwei Jahren regelmäßig gemacht. Aber im Spiel habe ich kein Glück – nicht mal für einen Dreier hat es gereicht. Und deshalb habe ich es wieder gelassen.

Sind wir ab einer bestimmten Geldsumme am Ende alle in gewisser Weise käuflich?
Nein, es gibt Menschen, Situationen und Dinge, die definitiv nicht käuflich sind. Ich bin es zum Beispiel auch nicht.

Ganz sicher?
Auch für Geld würde ich nichts tun, hinter dem ich nicht mit dem Herzen stehe oder was ich nicht auch ohne Geld gerne und freiwillig tun würde. Sie könnten mir zum Beispiel für einen Bungee-Sprung viel Geld bieten – so etwas käme für mich trotzdem im Leben nicht in Frage. Ich würde auch für kein Geld der Welt als Freischwimmerin mit einem Badeanzug durch irgendwelche Ozeane jagen oder andere aus meiner Sicht lebensbedrohliche Dinge tun.

Und wenn Ihnen ein sehr vermögender Fan eine unmoralisch hohe Summe für einen One-Night-Stand bieten würde?
Auch da wäre ich ohne zu überlegen sofort raus!

Anja Kling (r.) in ihrer Rolle als Anwältin Alice König im Krimi „Der Millionen Raub“. Der Film läuft am Montag, 8. April 2024 um 20.15 Uhr im ZDF.

Sie zählen seit Jahrzehnten zu den meistbeschäftigten Schauspielerinnen Deutschlands…
… und trotzdem hat sich meine Auftragslage ein wenig verändert, seit ich die 50 überschritten habe. Meine Branche befindet sich gerade in einer merkwürdigen Umbruchphase. Es wird weniger gedreht, es gibt weniger Projekte und oft niedrigere Gagen. Und das macht sich leider besonders in meiner Altersgruppe bemerkbar. Es ist sicher so, dass ich auf hohem Niveau jammere: Ich drehe noch regelmäßig, aber verglichen mit früher, gibt es heute definitiv weniger neue Projekte.

Demnach ist Jugendwahn auch im Schauspielbusiness weiterhin ein Thema – trotz Diversity-Diskussion und Woke-Culture?
Es gibt für Schauspielerinnen in meiner Altersgruppe weiterhin einfach nicht genügend Geschichten. Dabei ist der Bedarf da – und viele Zuschauerinnen würden sich darüber freuen, mehr Frauen im Alter von 50 plus im TV und Kino zu sehen. Es gibt zwar ein paar vorsichtig optimistisch stimmende Impulse und spannende Drehbuch-Ideen, allerdings sehe ich bislang wenig Motivation, diese Ideen auch umzusetzen. Da müssen wohl noch ein paar dicke Bretter gebohrt werden, was dauern kann. Hoffentlich nicht mehr zu lange.

Chantal, 20.05

Wie sehr ärgert sie diese Situation?
Zum Glück wusste ich früher schon, was mich erwartet. Meine Mutter Margarita, die jahrzehntelang eine Schauspieleragentur führte und bis heute mein Management macht, hat mich bereits vor Jahren davor gewarnt, dass sich ab 50 die Dinge ändern werden. Erst kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, in dem einer der Streaming-Bosse sagte, dass man grundsätzlich nicht mit älteren Darstellern drehen würde. Der Grund: Man sei fest davon überzeugt, dass auch ältere Semester lieber in jüngere Gesichter blicken, als in die Gesichter ihrer Altersgruppe. Eine Aussage, die mich geschockt hat.

Wie empfinden Sie im Jahr 2024 Ihr gefühltes Alter?
Auch wenn ich gerade 54 Jahre alt geworden bin, so fühlt sich diese Zahl für mich wie ein Fremdkörper an. Mental bin ich nämlich bei ungefähr Ende dreißig stehen geblieben und auch körperlich fühle ich mich nicht viel älter. Das Einzige, was mir mein wahres Alter verrät, ist mein Spiegelbild im Badezimmer.

Macht Sie das ein wenig traurig?
Überhaupt nicht, und das ist der entscheidende Faktor. Ich registriere die Veränderungen, ziehe mich an und stürze mich fröhlich ins Leben. Denn es geht mir ja gut. Ich habe einen Mann, der mich auch mit meinem Älterwerden liebt und mit dem ich eine wunderbare, fröhlich-leichte Beziehung führe. Gott sei Dank werden wir ja alle gemeinsam älter.

Das Gefühl, dass mit den Jahren die eigene Endlichkeit greifbarer wird, bedrückt Sie gar nicht?
Damit habe ich meinen Frieden geschlossen. Die Endlichkeit gehört nun mal zum Leben dazu. Ich hoffe nur, dass ich mich nicht zu früh verabschieden und die letzten Jahre aufgrund schlimmer Krankheiten dahinvegetieren muss. Wie wahrscheinlich alle Menschen träume auch ich davon, nach einem erfüllten Leben abends einzuschlafen und dann am nächsten Tag nicht mehr aufzuwachen. Und dass ich zuvor zu mir selbst sagen konnte: Mein Leben war mit allen Höhen und Tiefen wunderschön, aber nun ist es auch gut, ich habe ich mich satt gelebt und kann mit einem inneren Lächeln gehen.

Wie haben Ihre Eltern Sie geprägt?
Ich hatte eine schöne und behütete Kindheit. Unser Alltag wurde stark durch einen optimistischen Humor getragen. Es wurde viel gelacht – auch in Situationen, die gar nicht so lustig waren. Meine Eltern gehen nach 60 Jahren Ehe immer noch sehr liebevoll, tolerant und verständnisvoll miteinander um. Diese schöne Grundatmosphäre hat uns durch unser Leben begleitet, wofür ich sehr dankbar bin.

Was haben Sie an Ihre eigenen Kinder weitergegeben?
Einen unerschütterlichen Optimismus und eine humorvolle Sicht aufs Leben habe ich durch meine Grundprägung automatisch weitergegeben. Daneben wollte ich aber auch, dass aus Alea und Tano mutige und starke Menschen werden, die sich trauen aufzustehen, wenn es sein muss – denen aber auch Bescheidenheit und Demut nicht fremd ist.