Rhetorisch sehr gut, inhaltlich nebulös. Christian Lindner nutzte den Talk bei Caren Miosga ausschließlich für seine Selbstdarstellung.
„Wir hoffen auf die Haushaltsverhandlungen“. Mit diesem Satz schließt Caren Miosga ihren Sonntagstalk, der doch eigentlich Klarheit in so viele Fragen rund um die Koalition und die FDP bringen sollte. Damit bleibt nach einer Stunde, wie so oft nach einer solchen Talkshow die enttäuschende Erkenntnis: Wirklich schlauer machen diese Runden in der Regel nicht, aber sie haben ausgewählten Politiker:innen eine Plattform zur Profilierung geboten. In dem Fall kann man anschließend immerhin festhalten, nun mehr über Christian Lindners Hobby, das Jagen, erfahren zu haben. Die titelgebende Frage des Abends: „Zerbricht die Ampel am Geld, Herr Lindner?“, wurde in der zweiten Talkhälfte eingekreist, blieb aber letztlich erwartbar unbeantwortet. Und das lag nicht daran, dass die Gäste nicht streit- und angriffslustig waren, sondern vor allem daran, dass der Bundesfinanzminister sich rhetorisch so zu verteidigen weiß, dass er sich nur die Antworten entlocken lässt, die ihm am meisten dienen.
Zu Gast bei „Caren Miosga“ waren:
• Christian Lindner, Bundesfinanzminister (FDP)
• Kristina Dunz, Stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros des RedaktionsNetzwerk Deutschland
• Jens Südekum, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (SPD)
Christian Lindner auf der Jagd
Selbstverständlich ist diese Taktik des Politiktalks nicht nur für Christian Lindner ein gewinnbringendes Mittel. Seine Unterstützer:innen werden den Talkshowauftritt als Erfolg verbuchen. Lindner konnte sich den ganzen Abend über so inszenieren, wie es einem Bundespolitiker zuträglich ist. Nahbar und menschlich, als es um sein Hobby, das Jagen ging. „Ich bin gern in der Natur unterwegs“, gab er zu Protokoll, diese Erfahrung habe „etwas Meditatives“, anders als sein Alltag als Politiker. Das Jagen ist für Lindner eine „ganz natürliche Lebensmittelproduktion“, bei der ihn ein „Gefühl des Bedauerns“ überfalle, wenn er vor dem erschossenen Tier steht.
Homestory über den Finanzminister
Es menschelte ordentlich in den ersten Minuten der Sendung, Lindner gab an, dass ihn Kritik an seiner Person, die „unsachlich“ oder „persönlich“ ist, durchaus ärgern würde. Als er dann noch darüber philosophierte, dass er aber mit Liebe und Freundschaft und Zuneigung in seinem Leben gesegnet sei und deswegen nicht nur mit der Kritik, sondern auch mit den Herausforderungen im Job sehr gut umzugehen weiß, da war die Homestory über den Finanzminister in Sack und Tüten.
Anekdoten vs. Fakten
Caren Miosga näherte sich langsam den wichtigen Fragen, denn auch wenn es für Boulevardmagazine und die Leserschaft vielleicht interessant sein möge, wie die Freizeitgestaltung von Christian Lindner aussieht, der Politiktalk am Sonntagabend hat dann doch andere Pläne. Und der Finanzminister eben seine eigenen. Dieses Spannungsfeld der Inszenierungen war durchaus interessant anzusehen, allein, der Erkenntnisgewinn hielt sich sehr in Grenzen. Denn wann immer Miosga Lindner mit direkten Vorkommnissen aus der Koalition konfrontierte, wich dieser aus.
Auf den Vorwurf etwa, dass die FDP die Opposition in der eigenen Regierung sei, erzählte Linder von einem Brief, den ein Möbelproduzent in der Vorweihnachtszeit an ihn geschickt hatte. Anekdote gegen Fakten, Lindner ist sicher nicht der erste Politiker, der auf diese Art der Ablenkung setzt. Sie funktioniert ja auch, in einem zeitlich begrenzten Interview kann nicht jeder Punkt immer und immer wiederholt werden.
Im weiteren Verlauf der Sendung versuchte die Journalistin Kristina Dunz diesen Punkt nochmal anzusprechen. Lindner wechselte zum Thema Kinderarmut. Ein wichtiges, dringliches Thema, bei dem der Finanzminister hätte Punkte machen können. Denn es herrscht ja Konsens darüber, dass sich die Situation hier dringend verbessern muss. „Kinderarmut har etwas mit Migration zu tun“, führte der FDP-Politiker aus. Das müsse man „als Tatsache nehmen“. Dass das Thema niemals nur ein Migrationsthema sein kann, blendete Lindner einfach aus. Es ist allgemein bekannt, dass finanzielle Armut auch deutsche Kinder betrifft. Leider schritt niemand der Anwesenden an diesem Punkt ein. Lindner erklärte also weiter, dass die Mehrheit der Deutschen sicher nicht unterstützen würde, wenn man „nur mehr Geld“ geben würde.
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Lust auf Überstunden machen
Arbeit müsse sich wieder mehr lohnen, ein weiteres großes Thema des Finanzministers. Man müsse „den Leuten Lust machen auf die Überstunde“, sagte er. Arbeit sei mehr als nur Geld verdienen, es sei sinnstiftend, wenn die Rahmenbedingungen sich verbessern. Aktuell ist das nicht immer der Fall, weswegen, so Lindner, zu viele Menschen Bürgergeld beziehen würden. Das sei aber nur für prekäre Situationen gedacht. Die Forderungen an den Sozialstaat seien zu hoch.
Prekär ist auch der aktuelle Haushalt. Die FDP hält weiter an der Schuldenbremse fest, der Ökonom Jens Südekum versuchte mehrfach das Gespräch darauf zu lenken, dass angesichts der aktuellen innen- und außenpolitischen Herausforderungen ein Sparkurs nicht erfolgversprechend sei. Eine Reform der Schuldenbremse sei seiner Meinung nach erforderlich. Christian Lindner wies das zurück. „Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen“, gab er zu Bedenken und verwies zweimal darauf, dass der Ökonom Mitglied der SPD ist. Die Partei hatte Anfang des Jahres über eine Reform bei der Schuldenbremse diskutiert, Südekum liegt hier auf Parteilinie.
Weitere Themenpunkte:
– Unterstützung für den thüringischen Wahlkampf? Thomas Kemmerich wird für seinen Wahlkampf keine Unterstützung von der FDP erhalten. „Dieser Landesverband geht seinen eigenen Weg“, so Lindner.
– Haushaltsverteilung: Es sei „sehr viel Geld da“ , sagte Christian Lindner auf die Frage nach möglichen Haushaltskürzungen. Es ginge ihm nur darum, dieses besser zu verteilen.
– Kommunikationsprobleme in der Koalition: „Ich bekenne mich zu meiner Mitschuld“, sagte Lindner auf die Frage von Dunz, wieso die drei Parteien nicht besser und effektiver miteinander kommunizieren können. Besserung ist hier aber nicht in Sicht.
Sowohl Caren Miosga als auch Kristina Dunz fragte den Finanzminister direkt danach, ob er die Koalition bis zu den nächsten Bundestagswahlen 2025 weiterführen möchte. Eine konkrete Antwort gab Christian Lindner nicht. Er wolle sich nicht „erpressbar“ mit einer definitiven Aussage machen. „Es gibt keinen Blankoscheck“, dass die Koalition so bestehen bleibt. „Zündeln“ nannte Dunz dieses Vorgehen, Miosga hatte vorher bereits die Parallele zum Lambsdorff-Papier 1982 gezogen. Es sei damals ein Sprung in eine „innerparteiliche Konfliktsituation“ gewesen, mit der man nicht einfach spielt, so Lindner. Ein klares Bekenntnis, für das Bestehen der Koalition bis 2025 wollte der FDP-Politiker aber auch nicht geben. Vielleicht könnte ein gemeinsamer Jagdausflug mit den Koalitionspartnern ja die Gemüter besänftigen und, ganz nebenbei, für bessere Kommunikation sorgen?