Viele Immobilienkäufer achten in erster Linie auf den Kaufpreis. Doch wer die Erschließungskosten für das Grundstück nicht im Blick hat, kann selbst nach Jahrzehnten ein böses Erwachen erleben.

Disclaimer C free aktuell

Die Gesetzeslage ist klar: Wer auf einem Grundstück ein Haus bauen will, muss zuerst das Bauland erschließen und das Grundstück zugänglich machen. So steht es im Baugesetzbuch (BauGB). 

Dabei müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein: „Bebaubar ist ein Grundstück erst dann, wenn die Anbindung an das öffentliche Straßennetz, die Versorgung mit Strom und Wasser sowie die Entwässerung sichergestellt ist“, erklärt Norbert Maier, Sachverständiger für Immobilien und Spezialist für Baufinanzierung bei Dr. Klein in Regensburg. „Erst dann gilt ein Grundstück auch als verkehrstechnisch und technisch voll erschlossen.“ Die Anbindung an Gasleitungen, das Telefon- oder Kabelnetz sind hingegen nicht zwingend notwendig. 

Öffentliche und private Erschließung

Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Erschließung, für die jeweils einmalige Kosten anfallen: die öffentliche und die private beziehungsweise innere Erschließung. Der Unterschied ist geografischer Natur: „Die öffentliche Erschließung gilt bis zur Grundstücksgrenze, die private Erschließung von der Grundstücksgrenze bis zum Haus“, bringt Maier es auf den Punkt. 

STERN PAID Inflation liess Baupläne der Familie platzen 17.53

Während die öffentliche Erschließung von Bauland in der Regel Aufgabe der jeweiligen Kommune ist, in der sich dieses befindet, müssen Bauherren die private Erschließung ihres Grundstücks organisieren. Allerdings ist die Kommune auch hier mit eingebunden, denn sie muss die entsprechenden Anträge erst genehmigen. Für alle Erschließungen gilt: die Kosten übernimmt der Grundstücksbesitzer. Für die Arbeiten, welche die Kommune organisiert, erhält er später eine Rechnung. 

Große Gebührenunterschiede

Die Erschließungskosten für ein Grundstück können dabei gewaltig variieren, weiß Maier: „Die Preise sind von den kommunalen und regionalen Regelungen abhängig, die überall unterschiedlich sind.“ Zudem spielen weitere Faktoren wie die Lage und Nähe zu möglichen Hauptanschlussstellen, die Grundstücksfläche, die Höhe und Nutzungsart der betreffenden Immobilie eine zentrale Rolle. 

Eine kleine Orientierungshilfe gibt es meist aber trotzdem: „In vielen Satzungen wird zumindest der Umfang der abzurechnenden Maßnahmen genau beschrieben. So sind oft Kosten für Grunderwerb, Radwege, Bürgersteige, Sammelstraßen, Parkflächen, Grünanlagen und vieles mehr in der Liste der möglichen Erschließungskosten zu finden“, sagt Maier. 

In toto sollten sich Grundstückskäufer auf Erschließungskosten im fünfstelligen Bereich einstellen. „Für die allermeisten Neubaugrundstücke liegen die gesamten Erschließungskosten zwischen 15 und 40 Euro pro Quadratmeter“, schreibt Folkert Siemens auf der Webseite Haus.de. Als Hausnummer nennen viele Immobilien-Experten eine Summe zwischen 10.000 und 30.000 Euro, die für die Erschließung von Bauland im Schnitt fällig werden. 

Ein paar hilfreiche Durchschnittswerte finden sich bei Finance Scout24: Demzufolge summieren sich die Erschließungskosten für Strom meist auf 2000 bis 3000 Euro, während für einen Wasseranschluss 2000 bis 5000 Euro fällig werden. Für einen Gasanschluss liegen die Kosten bei rund 2000 Euro, die Erschließungskosten für Telekommunikation betragen oft weniger als 1000 Euro. 

Erschließungsbeiträge: Verspätete Nachzahlung möglich 

Wichtig zu wissen: Nicht immer stellen Kommunen die Erschließungsbeiträge zeitnah oder in voller Höhe in Rechnung. „In Einzelfällen können auch nach Fertigstellung der Immobilie Erschließungskosten anfallen, zum Beispiel wenn die endgültigen Kosten durch die Kommune noch nicht abschließend ermittelt werden konnten“, sagt Dr. Klein-Experte Maier. 

Oder aber die Arbeiten sind noch nicht komplett abgeschlossen: „Nicht immer ist eine geteerte Straße eine vollständig erstellte Erschließungsanlage. Fehlt zum Beispiel der technisch notwendige Unterbau einer Ortsstraße, ist diese als nicht endgültig hergestellt einzustufen“, gibt Maier zu bedenken. Welche kuriosen Blüten dieser Umstand treiben kann, zeigt ein Beispiel aus Neuss. Hier wurden einige Anwohner des Selikumer Wegs vor kurzem für den Ausbau einer Straße zur Kasse gebeten, die bereits seit Jahrzehnten existierte – aber eben nicht fertiggestellt war, weil der einst vereinbarte Wendehammer noch fehlte. Kostenpunkt: 360.000 Euro. 

STERN PAID 11_23 Titel Wohnen Hauskauf Tipps 21.10

Neben verspäteten Zahlungsaufforderungen kann es zudem sein, dass im Lauf der Zeit zusätzliche Kosten auflaufen, die beim Grundstückskauf womöglich noch nicht abzusehen waren. Das Stichwort lautet hier ‚Verbesserungsbeiträg‘. Diese können laut Maier nachträglich für Maßnahmen erhoben werden, die einem Grundstück Vorteile bringen, etwa eine modernere Wasserversorgungs- oder Entwässerungseinrichtung. Eine bundesweit gültige Vorschrift gibt es allerdings nicht: „Jedes Bundesland hat eine eigene Regelung zu den Abgaben, die in den jeweiligen Kommunalabgabengesetzen respektive den kommunalen Verbesserungsbeitragssatzungen zu finden sind“, sagt Maier.

Auch aus diesem Grund sollten Grundstückskäufer darauf achten, wie die Übernahme von Erschließungskosten im Vertrag geregelt ist. In Notarverträgen sind laut dem Experten Klauseln üblich, die dem Verkäufer bis zum Tage des Übergangs die Erschließungskosten übertragen. Ab dem Eigentumsübergang trägt dann der Käufer das Risiko für alle Nacherhebungen und künftigen Änderungen in den Erschließungsanlagen. Diese Klauseln kann der Notar aber auch anders ausgestalten.