Die Aussicht auf sinkende Zinsen verbessert die Stimmung am Immobilienmarkt. Wer sich ein Haus oder eine Wohnung kaufen will, sollte nicht länger warten.
Was für die Immobilienbranche gut ist, sollte für Kaufwillige derzeit eher ein Weckruf sein: Noch spürt man deutlich, dass sich die Konjunktur eingetrübt hat, auch am Bau. Aber die Stimmung hat sich im ersten Quartal 2024 nun wieder deutlich verbessert und viele Branchenunternehmen bezeichnen die Geschäftslage nun wieder als erheblich positiver als zuvor. Das ergab die aktuelle Stimmungsumfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts IW für den Branchenverband ZIA. Es gebe also wirklich „erste kleine Aufwärtstendenzen“, sagen die Studienautoren Michael Voigtländer und Ralph Henger.
Darauf hatten ja bereits zum Jahresende erste Branchendaten hingedeutet. „Noch ist es zu früh von einem Turnaround der Stimmungslage zu sprechen, dafür sind insbesondere die Erwartungen noch zu eingetrübt“, sagen Henger und Voigtländer: „Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass die Branche davon ausgeht, dass die schlimmste Phase der Rezession vorbei ist.“ Das heißt: Der Markt wird definitiv wieder anziehen und der nächste Aufschwung steht bevor. Vermutlich auch bei den Preisen.
Hoffnung auf neue Immobilien-Projekte
Insbesondere im Bereich „Projektentwicklung“ – also die Entwicklung neuer Bauprojekte – klart die Stimmung nun auf. Hier beurteilen die Unternehmen sowohl die aktuelle Lage als auch die Aussichten erheblich positiver als noch im Vorquartal. Noch allerdings notiert der Geschäftsklimaindex in diesem Bereich deutlich im negativen Bereich. Und es wird wohl auch noch eine ganze Weile dauern, bis bei den Projektentwicklern wieder ein Niveau von Normalnull erreicht sein wird. Der Branchengesamtindex jedoch hat sich nun wieder über die Nulllinie gehievt: Lage und Immobilienklima haben sich also wieder bis auf ein durchschnittliches Niveau erholt.
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Immerhin lassen die Aussichten auf sinkende Zinsen im Sommer die Branche auch wieder aufatmen. Unter den hohen Zinsen von zuletzt rund 4 Prozent hatten nämlich auch viele Entwickler von Wohn- oder Geschäftshäusern zuletzt arg gelitten. Die Projektentwicklerbranche erlebte den schlimmsten Geschäftseinbruch seit rund 20 Jahren. Viele hatten ihre Neubauprojekte erst einmal zurückgestellt. Zudem schlitterten etliche Projektentwickler in die Pleite, weil sie aufgrund der gestiegenen Baukosten und höheren Finanzierungszinsen mit Neubauprojekten Verluste einfuhren. Oder weil sie wegen der eingebrochenen Käufernachfrage keine Wohnungen mehr abverkauften – wodurch ihnen das Geld zum Weiterbauen fehlte.
Zuletzt war insbesondere der Wohnbau hierzulande nahezu zum Erliegen gekommen. Doch inzwischen sind die Bauzinsen wieder auf rund 3,5 Prozent abgesackt (für 15 Jahre Zinsbindung und übliche Privatimmobilienkredite) und allmählich kehrt daher auch die Käufernachfrage auf den Markt zurück, melden Immobilienplattformen und bundesweit tätige Makler. Erstmals gehen auch die Projektentwickler wieder von einer steigenden Zahl an Vorverkäufen aus. Das heißt: Alle, die jetzt nach einer Immobilie Ausschau halten, bekommen auf dem Markt wieder mehr Konkurrenz – auch bei Neubauobjekten.
Noch zwölf Monate Durststrecke
Entsprechend klart die Stimmung bei der Wohnimmobilienbranche nun recht deutlich auf: Der Index stieg in diesem Segment um knapp 10 Punkte. Im Gewerbesektor sind die Aussichten ebenfalls besser geworden, aber nach wie vor recht verhalten. Auch der Bereich der Handelsimmobilien legte zu. „Allerdings ist festzustellen, dass noch eine Mehrheit der Unternehmen davon ausgeht, dass sich in den nächsten 12 Monaten die Geschäftslage weiter verschlechtert“, betonen die Studienautoren. Nicht umsonst geht in der Branche derzeit als geflügeltes Wort um: „Survive till 2025.“ Dann erst soll es wieder deutlich aufwärts gehen.
Für Wohnimmobilien heißt das: Im laufenden Jahr rechnen die Beteiligten mehrheitlich noch mit konstanten Preisen, nämlich 60 Prozent von ihnen. Nur ein knappes Drittel geht davon aus, dass die Preise weiter sinken werden. Während es im Vorquartal noch genau umgekehrt war. Die Mieten jedenfalls werden sicher anziehen, sagen rund 86 Prozent der Branchenbeteiligten. Keiner der befragten Wohnimmobilienunternehmer ging von sinkenden Mieten aus.
Erstmal konstante Preise
Unzweifelhaft sei, dass der Bedarf an Wohnraum groß ist, sagen die Studienautoren. Größer als das derzeitige Angebot in den Ballungsräumen. Während im Büromarkt die Nachfrage nach Büros wegen der konstant hohen bis steigenden Home-Office-Quoten sinke, sei Privatwohnraum eben nicht zu ersetzen. „Entsprechend ist davon auszugehen, dass sich dieses Segment bei einem guten Zinsumfeld schnell von der Krise erholen kann“, sagen Henger und Voigtländer.
Wenn sich der Wohnungsmarkt aber wieder stabilisiert, dann werden auch die Preise recht rasch wieder beginnen, zu steigen. Denn die große Wohnungsknappheit besteht fort, und wegen des mehrjährigen Planungsvorlaufs wird es dauern, bis auch der Neubau tatsächlich wieder spürbar anziehen kann.
Aber: Ungewissheit bei den Zinsen
Welche Auswirkungen die neue Zinswende der Zentralbanken, die im Sommer erwartet wird, noch auf die Immobilienzinsen hat, ist noch unklar: Ein gutes Viertel der Marktbeteiligten denkt derzeit, dass die Zinsen sinken und sich die Finanzierungsbedingungen verbessern. Genauso viele aber erwarten sogar schlechtere Konditionen. Zuletzt stieg die Zinskurve auch tatsächlich etwas an, von 3,5 Prozent auf 3,67 Prozent.
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Warum? Weil der Markt bereits zum Jahresende geradezu euphorisch reagiert hatte, als erste Zinssenkungshoffnungen aufkamen. Sie waren der Grund, weswegen die Bauzinsen von 4,5 auf rund 3,5 herunterkamen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Vorfreude etwas übertrieben war. Denn die kommenden Zinsschritte der EZB werden wohl recht klein ausfallen. Das könnte die Baufinanzierer bewegen, die Zinsen wieder etwas anzuheben.
Zudem hatten viele Banken zwischenzeitlich „Kampfzinsen“ aufgerufen, um die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen wieder anzukurbeln. Denn auch die Institute litten stark unter dem eingebrochenen Kreditgeschäft. Die Mehrheit der Beteiligten jedenfalls rechnet derzeit eher mit gleichbleibenden Finanzierungskonditionen – und das sollten Kaufwillige besser auch tun, statt auf tiefere Zinsen zu pokern.
Hauskäufer sollten lieber vergleichen als abwarten
Statt auf ein weiteres Absinken der Zinsen um ein Zehntelprozentpunkt zu warten, gilt derzeit eher: Die derzeitigen Preise und Chancen nutzen, und zuschlagen, wenn das Wunschobjekt gefunden ist. Größer als die mögliche Einsparung bei einem weiteren leichten Zinsrutsch ist nämlich aktuell die Ersparnis, die Käufer erzielen können, indem sie die „richtige Bank“ auswählen. Die Spanne zwischen den Anbietern ist relativ groß – der Zinsabstand zwischen den unterschiedlichen Zinsbindungszeiten dagegen sehr gering. Das bedeutet: Lieber länger festlegen und die Zinsen für 15 Jahre sichern, als in 10 Jahren um die Anschlussfinanzierung bangen zu müssen:
Derzeit verlangen Baufinanzierer im Schnitt für 10-jährige Zinsbindung 3,5 Prozent Sollzinsen, bei 15 Jahren sind es knapp 3,7 Prozent. Diese 0,2 Prozent machen die Rate nicht wirklich fett. Sie bedeuten bei einem durchschnittlichen Kredit (320.000 Euro Kreditsumme für eine 400.000-Euro-Immobilie) rund 1.750 Euro Rate statt 1.700 Euro.
Einen viel entscheidenderen Unterschied aber macht die Wahl des Baufinanzierers aus: Während die günstigsten Anbieter für den Klassikkredit nur 3,3 Prozent Bauzins ansetzen (1.670 Euro Rate), langen die teuersten mit 4,73 Prozent zu, also 2.029 Euro Rate. An dieser Stelle sollten Kaufwillige lieber die Zinsen vergleichen als auf deren Rutsch im Sommer zu warten. Vielleicht klappt’s ja dann doch noch mit dem Wohneigentum und auch die neue Parole der Immobilienbranche beschreibt dann die eigene Stimmung: „See you in heaven, in 2027.“