Heute vor 30 Jahren starb „Nirvana“-Frontmann Kurt Cobain. Guter Anlass, sich an seine Geburt zu erinnern. Unser Autor war live dabei, als aus dem Sänger einer Vorband ein unsterblicher Headliner wurde.

Wo warst du, als Kurt Cobain starb? Also, ich saß an einem gedeckten Frühstückstisch, Sonntagmorgen, „habt ihr schon gehört?“

Viel wichtiger aber scheint mir die Frage: Wo warst du, als Cobain geboren wurde? Also, ich stand in einer Masse von Menschen, die überwiegend keine Lust hatten, die Band zu sehen, die da gerade die Bühne betrat, eher: beschlurfte, hängende Schultern, hängende Gitarre.

Es ist der 24. August 1991, mein Sommer zwischen dem Abitur und dem Zivildienst. Am Tanzbrunnen in Köln findet ein Festival statt, das „Monsters of Spex“ heißt und dessen Headliner meine damalige Lieblingsband Sonic Youth ist. So ein Festival kann sich ziemlich ziehen, und nun sollten bitte endlich die Höhepunkte losgehen. Doch von wegen: Der Ansager tritt auf die Bühne und verkündet: „Erst mal kommt die Band, die heute Nachmittag im Stau stand. Aus Seattle: Nirvana.“ Kennt niemand so richtig, irgendwas mit Grunge, och nö, will jetzt keiner. Der Begrüßungsapplaus: kaum messbar. 

Teen Spirit: „Nirvana“-Sänger Kurt Cobain wurde zur Ikone mindestens einer Generation

Ein Mann mit Sonnenbrille singt irgendwas ins Mikro, neben ihm ein Lulatsch in roten Hosen, der Drummer nimmt Platz am Schlagzeug jener Band, die zuvor gespielt hat, „Rausch“ steht auf der Bassdrum. Leute laufen von links nach rechts, jemand noch ein Bier? Das erste Lied versuppt, der Mann mit der Sonnenbrille sagt „Donkeschon.“ Lied zwei, die ersten Hände gehen in die Luft. Lied drei: Der Mann mit der Sonnenbrille fängt an zu springen, mit dem ausgestreckten Bein voraus, als wolle er eine Tür eintreten. Lied vier: die Leute in den ersten Reihen hüpfen. Lied fünf: Keiner geht mehr Bier holen (nur der Lulatsch am Bass öffnet eine Bierdose). An den Rändern der Bühne kommen nun immer mehr, die offenbar bis gerade Backstage herumgelümmelt haben, auch Musiker der anderen Festivalbands. Nach einer guten Viertelstunde hüpfen weit mehr als nur die Leute in den ersten Reihen. Ein Riff erklingt, und gleich singt der Sonnenbrillenmann „Hello hello hello hello“, und wie Metallspäne vor einem Magnet drehen sich alle Köpfe in eine Richtung. Im Publikum, auch bei mir, herrscht das Gefühl, dass wir gerade gepackt werden von etwas Großem. Niemand kennt dieses Lied, niemand wird es je wieder aus dem Kopf bekommen. Danach ist alles Wirbelsturm: Feedbackgewitter, Gitarrenweitwurf, die Schöpfung eines blonden Gottes aus dem Lärm.

Wie der Rest des Abends war? Hab‘ ich vergessen. Wenige Wochen später lief zum ersten Mal das Video zu „Smells Like Teen Spirit“ auf MTV.