Es klingt wie ein schlechter Film: Die Gruppe um Prinz Reuß wollte laut Anklage die Regierung stürzen. Für die Drecksarbeit heuerte sie zwei polizeibekannte Brüder an. Statt Waffen lieferten die wohl vor allem Märchen.
Der Generalbundesanwalt hat 26 Männer und Frauen um den Frankfurter Immobilienunternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß angeklagt. Deutschlands Chefankläger hält sie für eine Terrorvereinigung, die mit Waffengewalt die Bundesregierung stürzen wollte. Recherchen des stern und RTL zeigen nun, wie eng die Putschpläne der mutmaßlichen Terroristen mit der fixen Idee von einem elitären Kinderschänderring zusammenhingen. Offenbar glaubten viele in der Gruppe, deutsche Spitzenpolitiker würden massenhaft Kinder in geheimen unterirdischen Tunneln missbrauchen. Mit Beweisen für den angeblichen pädophilen Politikerbund, so ihr Kalkül, würde sich die Bevölkerung hinter einem Regierungssturz versammeln.
STERN PAID SI2 RB Heft Eder und die Waffen
Für die Drecksarbeit engagierten die Reichsbürger laut den Recherchen zwei Schweizer Ganoven Sandro und Claudio R.: Die polizeibekannten Brüder, Glatzen, breite Statur, um die 50. Sie sollten Beweise für die vermeintlichen geheimen Tunnelanlagen finden. Und Waffen besorgen. So steht es in der Anklage.
Mutmaßliche Mitglieder der „Gruppe Reuß“ zahlten in mehreren Transaktionen mindestens 138.710 Euro an die Schweizer. Zusätzlich sollen es Bargeldübergaben gegeben haben. Geliefert haben die Brüder dafür offenbar vor allem: ein Schmierentheater. Davon ist auch der Generalstaatsanwalt überzeugt.
Nach den Recherchen ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen Sandro und Claudio R.. Der Vorwurf: „Unterstützung bzw. Beteiligung an einer terroristischen Organisation“. Der Strafverteidiger von Sandro R. bestätigte, dass gegen seinen Mandanten ermittelt werde.
Die Schweizer Bundesanwaltschaft führt die Brüder als Beschuldigte. Der Anwalt von Sandro R., Benedict Burg, wollte sich zu Details nicht äußern. „Die Vorwürfe gegen meinen Klienten sind unzutreffend und werden bestritten“, teilte er lediglich mit. Ein Anwalt Claudio R.s ließ Fragen des stern unbeantwortet.
Maximilian Eder gestand ein, dass die Gruppe den Abtritt der Regierung wollte
Die Verteidiger fast aller anderen Angeklagten, die in diesem Text eine Rolle spielen, wollten keine Fragen beantworten. Anders Maximilian Eder, den der Generalbundesanwalt als einen der Gründer der mutmaßlichen Terrorvereinigung angeklagt hat. Über seine Anwältin ließ er ausrichten, er habe tatsächlich nach Tätern satanistisch-ritueller Pädophilie gesucht, „bis in höchste Kreise“. Eder gestand außerdem ein, dass die Gruppe einen Abtritt der aktuellen Regierung wollte. Allerdings ohne Waffengewalt, wie er behauptete.
Geantwortet hat auch einer der Anwälte von Prinz Reuß. „Am Ende des Verfahrens“, sagt Roman von Alvensleben, „wird sich herausstellen, dass Dinge anders sind, als sie aufgrund der bislang öffentlich gewordenen Anklagevorwürfe erscheinen.“ Prinz Reuß habe weder vorgehabt, einen Umsturz zu planen oder zu veranlassen, noch habe er eine Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik Deutschland dargestellt. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt für alle Angeklagten und Beschuldigten die Unschuldsvermutung.
Am 29. April beginnt vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der erste von vorerst drei Prozessen gegen 26 Angeklagte der Gruppe um Reuß. Die beiden anderen Prozesse sollen ab Mai beziehungsweise Juni in Frankfurt und München stattfinden. Das Terrorverfahren ist eines der größten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.