In einer dritten Amtszeit will Modi das Riesenland auf dem Weg zur drittgrößten Volkswirtschaft der Erde begleiten. Ist der Ehrgeiz berechtigt?

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In wenigen Wochen sind knapp eine Milliarde Inder und Inderinnen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Vom 19. April bis 1. Juni können sie ihre Stimme abgeben. In der weltweit größten Wahl steuert Ministerpräsident Narendra Modi von der hindunationalistischen Bharatiya Janata-Partei (BJP) auf eine dritte Amtszeit zu. Der 73-Jährige positioniert sich als der Vater eines zehnjährigen wirtschaftlichen Aufstiegs, an der Spitze eines geoökonomisch zunehmend bedeutsamen Landes, und sieht Indien in einem „goldenen Zeitalter“ angekommen. 

Aber bildet die Realität die rhetorischen Höhenflüge ab? Modis Bilanz lässt sich sehen und hat solide Fortschritte erreicht, auch im Vergleich zu der zehnjährigen Vorgängerregierung der nun oppositionellen Kongress-Partei. Doch bewerten Ökonomen sie mehrheitlich als ambivalent: Es gibt Licht und Schatten. Wohl kann derzeit die Börse der Finanzmetropole Mumbai von einer Transferbewegung von Kapital aus China profitieren. Indien wird ein dynamischeres Wirtschaftswachstum prognostiziert. Modis Angebot eines alternativen Standorts für internationale Unternehmen jedoch hat Schwächen. 

Indien hat sich seit 2019 wieder verschlechtert

Vor vier Jahren war er mit dem Versprechen angetreten: „Make in India“. Seine Strategie der verstärkten Industrialisierung ging allerdings nicht auf wie erhofft. Im „Doing Business“-Index der Weltbank hat Indien sich seit 2019 wieder verschlechtert. Auf der Plus-Seite hat Modi den informellen Markt zurückgedrängt und das Steuersystem ein Stück weit vereinfacht. Aber alte Dämonen ist er nicht losgeworden: Experten verweisen auf unzureichende Modernisierung der Infrastruktur, anhaltenden bürokratischen Sumpf und zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte – alles Faktoren, die die Entwicklung bremsen. 

Im Ergebnis von 2022 ist Chinas Volkswirtschaft laut Weltbank fünfmal größer als die von Indien mit 3,4 Billionen Dollar und global Platz fünf. Für den weiteren Aufstieg hofft der Regierungschef – insbesondere zum Ausbau von Infrastruktur für Energie und Verkehr – auf Milliarden-Zuflüsse ausländischer Investitionen. Der französische Ökonom Jean-Joseph Boilot etwa warnt indes vor übertriebenem Optimismus, was die Entwicklung des indischen Markts angeht. Schon ein Indien-Hype Anfang der 2000er Jahre, als Indien in der Wirtschaft Wachstumsraten von zehn Prozent vorweisen konnte, habe sich als enttäuschend erwiesen. 

Capital fasst in zehn Kennmarken Modis Bilanz der vergangenen zehn Jahre zusammen.