Man spricht von Hexenjagd, wenn viele Leute meinen, einen Übeltäter ausgemacht zu haben, und ihn jagen – jenseits von Recht und Vernunft. Darum geht es auch im prominent besetzten Kinofilm „Hundswut“.
Ein Werwolf geht um – zumindest wenn es nach den Bewohnern eines Dorfes in Bayern geht, in dem vier Jugendliche grausam ermordet wurden. Bald meinen auch alle zu wissen, wer dieses blutrünstige Wesen ist: Joseph Köhler, der mit seiner Tochter Mitzi abgeschieden am Waldrand lebt. „Hundswut“ nennt sich der Krimi, in dem die Dörfler im Jahr 1932 eine regelrechte Hexenjagd auf den Eigenbrötler veranstalten, bei der Vernunft, Moral und Gerechtigkeit bald keine Rolle mehr spielen. Am Donnerstag startet der Film des Passauer Regisseurs Daniel Alvarenga im Kino, prominent besetzt mit „Bergretter“-Schauspieler Markus Brandl, Christine Neubauer, Christian Tramitz und Sepp Schauer. Auch Konstantin Wecker spielt mit und hat komponiert. „Es ist eigentlich ein antifaschistischer Film“, sagt er und betont die Aktualität. „So was Ähnliches kann jederzeit passieren.“
In ihrer Verblendung verfallen die Menschen in „Hundswut“ auf die Idee, im Hexenhammer nachzuschlagen, dem Malleus Malificarum, jenem mittelalterlichen Werk, in dem die Verfolgung angeblicher Hexen akribisch dargelegt wird. „Es hätte sich angeboten, einen Film im Mittelalter oder der frühen Neuzeit zu machen“, sagt Alvarenga. Dennoch wollte er ihn in der politisch aufgeheizten Stimmung 1932 ansiedeln, als die Nationalsozialisten kurz davor standen, die Macht in Deutschland zu übernehmen. „Es war beim Drehbuchschreiben sehr einfach, das ins Jahr 1932 zu transportieren – mit dem Hintergedanken, dass das Publikum sich dann nicht so leicht distanzieren kann.“
Das Besondere: „Hundswut“ ist eine unabhängige Low-Budget-Produktion, ohne Gelder von Fernsehsendern oder Streaming-Anbietern. Gedreht wurde in Museumsdörfern in Finsterau in Niederbayern und Glentleiten in Oberbayern, ebenso in Langdorf im Bayerischen Wald im Landkreis Regen. Alvarenga schafft eine düstere, engstirnige Stimmung, die sich aufheizt. Parallelen zur heutigen Zeit, in der Rechtsextreme an Boden gewinnen und Hass und Hetze vor allem in den sozialen Medien grassieren, sind gewollt. „Das Hauptproblem ist diese Dynamik, dass wenige Menschen sehr laut sind und sich für die Mehrheit halten. Und dass die eigentliche Mehrheit zu leise ist und glaubt, in der Minderheit zu sein und die Chance nicht nutzt, sich dagegen zu wenden“, findet der Regisseur. „Es sind vermeintlich einfache Antworten auf schwierige Probleme, man ist immer geneigt, gern eine leichte Lösung haben zu wollen. Da fällt es leichter, Parolen nachzulaufen.“
Die Geschichte überzeugte den Liedermacher und Schauspieler Konstantin Wecker, dessen Sohn Tamino auch mitspielt. „Es geht um Mythen und der Faschismus konnte sich nur durch Mythen nähren. Und Mythen sind heute Fake News“, erklärt der 76-Jährige, der so eine Menschenjagd wie in „Hundswut“ auch heute für möglich hält. Als Beispiel nennt er ein antifaschistisches Jugendzentrum in Potsdam, wo er kürzlich zu Gast war. „Die werden pausenlos von Nazis angegriffen, das muss man sich mal vorstellen, im Jahr 2024.“
Für Wecker, der sich schon vor Jahrzehnten mit seinen Liedern gegen Rechts positionierte, unvorstellbar. „Wir haben eigentlich besser als andere Länder unsere grausige Geschichte aufgearbeitet. Wir haben wirklich versucht, die alten Nazis zu vertreiben und aufzudecken. Ich dachte nicht, dass das wieder kommt“, bedauert der Münchner.
Dass sein Lied „Sage nein“ derzeit bei Demonstrationen gegen Rechts immer wieder gespielt und gesungen wird, freut Wecker nur bedingt. „Ich habe das 1990 geschrieben, als es die ersten Übergriffe auf Ausländer gab“, sagt er. „Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass wir mal ein echtes Faschismusproblem haben könnten in Deutschland.“
Hundswut