Wählerinnen und Wähler in allen 81 Provinzen der Türkei haben am Sonntag über ihre Regionalregierungen abgestimmt. Bei der Kommunalwahl stand vor allem Istanbul im Fokus, wo Präsident Recep Tayyip Erdogan auf eine Rückeroberung der Metropole durch einen Kandidaten seiner AKP-Partei hoffte. Die letzten Wahllokale schlossen um 17.00 Uhr (16.00 Uhr MESZ). Insgesamt waren 61 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen, erste Ergebnisse wurden gegen Abend erwartet.

Der regierende Bürgermeister Istanbuls, Ekrem Imamoglu von der Oppositionspartei CHP, lag in den Umfragen zuletzt knapp vorn. Dennoch zeigte sich Erdogan nach der Stimmabgabe in Istanbul siegesgewiss: „Diese Wahl wird den Beginn einer neuen Ära für unser Land markieren“, sagte der Präsident.

Noch am Vorabend hatte Erdogan in Istanbul bei mehreren Kundgebungen gegen Imamoglu ausgeteilt. Die wichtige Metropole sei in den vergangenen fünf Jahren „ihrem Schicksal überlassen“ worden, sagte der türkische Staatschef am Samstag. „Wir streben danach, die Stadt vor der Katastrophe zu bewahren“, sagte er, bevor er sich zum Gebet in die berühmte Hagia Sophia begab. 2020 war die ehemalige byzantinische Kathedrale und spätere Moschee auf Erdogans Betreiben von einem Museum in eine Moschee rückumgewandelt worden.

Imamoglu wurde am Sonntag nach der Stimmabgabe von Anhängern gefeiert, die ihm applaudierten und seinen Wahlkampfslogan von 2019 skandierten: „Alles wird gut“. Er hoffe, dass Istanbul und die Türkei am Montag „an einem schönen Frühlingsmorgen aufwachen“ würden, sagte Istanbuls Bürgermeister. Zudem wünsche er sich, dass „der Wille des Wählers zum Ausdruck gebracht wird, ohne dass jemand zu Schaden kommt“.

Aus einem Dorf im kurdisch geprägten Südosten der Türkei wurden allerdings Zusammenstöße gemeldet. Dabei seien ein Mensch getötet und zwölf weitere verletzt worden, erklärte das Gesundheitsministerium.

CHP-Chef Özgür Özel gab sich zuversichtlich. „Wir werden morgen einen großen Sieg erringen, der für niemanden eine Niederlage sein wird“, sagte Özel am Samstag in Izmir im Westen des Landes. Am Ende werde „die Türkei gewinnen“.

Entscheidend für den Wahlausgang dürfte laut Experten die Wahlbeteiligung sein. Wenn Imamoglu sich halten könne, werde ihn das mit Blick auf die Spitzenkandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl auch innerhalb der Opposition stärken, erklärte Bayram Balci von der Uni Ceri-Sciences Po in Paris. Wenn es allerdings Erdogan gelinge, Istanbul und Ankara zurückzugewinnen, werde er dies „als Ermutigung zur Verfassungsänderung auffassen, um 2028 erneut zu kandidieren und eine vierte Amtszeit anzustreben“.

Vor Imamoglus überraschendem Wahlsieg 2019 war Istanbul 25 Jahre lang in der Hand der AKP und deren Vorgängerparteien gewesen. Erdogan schickt für Istanbul seinen ehemaligen Umweltminister Murat Kurum ins Rennen. Der Präsident hofft außerdem auf den Sieg der AKP in den bislang ebenfalls von der Opposition geführten Großstädten Ankara und Izmir. Die Opposition ist seit der Niederlage bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr gespaltener als 2019.